Vorwehen zum Zweiten

Als Mann von Vorwehen zu reden fühlt sich eigentümlich an, aber ihr versteht mich ja richtig. Wie dem auch sei, ich schulde euch meine Befindlichkeit (eben nicht die körperliche),  um die wir den letzten Artikel auf Kosten grösserer Länge gekürzt haben.

Ich muss vorausschicken, dass ich schon mal im Tschad war, im schönen Örtchen mit dem Namen Mongo, einige Autostunden und unzählige Schlaglöcher weiter östlich von der Hauptstadt N’Djaména.

Dieses Örtchen ist nicht zu verwechseln mit den „Örtchen“, die in Tschad-Arabisch „wara-beet“ heissen (wörtlich übersetzt: hinterm Haus, ein treffender Ausdruck für diese WCs ohne „W“).

Damals, im Sommer 2007, machte ich ein Praktikum in Sprachforschung, da ich ja Allgemeine Sprachwissenschaft studierte. Es ging um „Ubu“, eine der ca. 135 Sprachen (untereinander teilweise nur so nah verwandt wie Chinesisch und Russisch), die von ca. 6000 Leuten (den „Ubis“) in ein paar Dörfern gesprochen wird. So bin ich bereits in den Genuss von tschadischer Gastfreundschaft und Kulinahrung (frischer Honig zum Selber-Kauen, geröstete Termiten…) gekommen, habe das Fussballspiel zweier Lokalmannschaften von Mongo (während dessen sich Esel auf das Spielfeld verirrten) gesehen und habe gelernt, mit dem begrenzten Strom auf dem Labtop in meinen Mails die Worte bedacht zu wählen, während ich die Kilobytes zählte um nicht den Mailverkehr via Funk zu überlasten. Ebenfalls habe ich damals zu dem, was ich aus dem Uni-Arabischstudium mitbringe, auch die ersten Tschadarabischen Brocken gelernt (der Dialekt-Unterschied ist ganz schön gross).

 

Somit ist mir das Ganze nicht ganz so fremd wie Anja. Dennoch glaube ich, dass es eine herausfordernde Sache wird. Und das wollten wir ja.

Neu wird für mich dann das Leben in N’Djaména. Zu meiner Ernüchterung musste ich kürzlich vernehmen, dass diese Hauptstadt nach Luanda (Angola) und Tokyo die dritt teuerste für Ausländer sei. Dies gemäss einer Studie von „Mercer“: http://www.mercer.com/press-releases/1311145

Die Erklärung dafür ist, dass insbesondere das Wohnen extrem teuer ist. Der Tschad hat wie Angola einen Ölboom erlebt seit 2003 im Süden Erdölfelder erschlossen worden sind. Weil damit innert kurzer Zeit viele gutbetuchte Ausländer kamen, sind Hotels, Restaurants und Import-Luxus-Güter knapp – und damit den „Marktgesetzen“ entsprechend teuer. Diese Erklärung schreibt die Konkurrenz von „mercer“, „the economist“: http://www.economist.com/blogs/newsbook/2010/06/africas_expensive_cities

Da wir aber noch nie etwas von Hilton hielten, werden wir uns nicht auf so teure Betten betten und hoffen, dass „the economist“ Recht hat in Sachen teure Stadt. Dort erschien N’Djaména nämlich 2010 nicht einmal auf der Liste.

Doch was bleibt, ist die Frage, wie nahe an der einfachen Bevölkerung ich leben kann ohne überfordert und nicht mehr besonders arbeitstauglich zu sein. Jedenfalls wünsche ich mir „nahe“ Begegnungen und bin sicher, dass dies viele Unannehmlichkeiten und Herausforderungen wert ist.

Apropos Herausforderung: Wie sieht das Eheleben aus, das ich nun seit über einem Jahr so geniesse, wenn Geschlechtertrennung an der Tagesordnung ist? Wir wollen uns auch als Paar herausfordern lassen, aber eigentlich haben wir uns das anders vorgestellt ; )

Herausfordernd finde ich im Moment auch den Gedanken, nicht wirklich zu wissen, was ich dann dort machen werde. Werde ich einen Weg finden, mich einzubringen, mich nützlich zu machen? Gelingt es mir, den Anteil „Schweizer Kultur“ bei dem, was ich vermitteln darf, gering zu halten? Und das alles auf Augenhöhe, in irgendwie ausgeglichenen Beziehungen? Und das obwohl ich relativ extrem bleich bin unter Tschadern und „nicht aus meiner Haut kann“? Fragen über Fragen…

 

Simons Befindlichkeit zusammengefasst

Ich blicke gespannt und voller Erwartung auf das kommende Jahr. Ich will mich mutig mich darauf einlassen, auf die vielen Fragen Antworten zu herauszufinden. Und nicht zuletzt wollen wir in dieser Zeit auch herausfinden, wie es für uns weitergeht nach diesem Jahr.

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