Le grand nord

 

Leider müssen wir euch an dieser Stelle mitteilen, dass es mit den update auf tschapdate für die nächsten 4-5 Wochen Schluss ist. Nein, wir streiken nicht, obwohl eine Verbesserung unserer Internetverbindung definitiv mal einen Streik wert wäre…

 

Wir haben eine Angebot für ein kleines Projekt von 6-9 Monaten ab dem Sommer. Im Zusammenhang mit Alphabetisierung geht es darum, eine Bibliothek zu starten und vielleicht auch einen Kindergarten, Englischkurse… an Bedürfnissen fehlt es nicht. Denn dieses wäre nicht in der Hauptstadt, sondern in einem Ort im ganz hohen Norden, mitten in der Sahara. Aber um uns entscheiden zu können, sind wir eingeladen, diese Reise zu machen. Wenn man 1700km weit nach Norden reist, kann man davon ausgehen, dass dort das Leben etwas anders ist. (Wie zum Beispiel in Oslo das Leben auch anders ist, als in Weinfelden.) Das gehen wir nun anschauen.

 

Wir freuen uns gespannt auf je eine fünftägige Reise auf unbefestigter Strasse, Geröll und Dünen, auf eine einmalige Landschaft, auf was es dort zu Essen gibt, auf die Begegnungen mit den Menschen dieser Bevölkerungsgruppe und viele Abenteuer, von denen wir noch nichts wissen.

 

Auf der Foto seht ihr einen Teil unsere Vorbereitung: Unser Hightech-Outdoor-Equipment für die Expedition wurde durch eine selbstgenähte Biwakhülle vervolls(t)ändigt und getestet– Sandsturm, wir sind bereit!

 

Am Freitag um 5.00 geht’s los und der nächste Versand eines tschapdate folgt, wenn wir nicht mehr versandet sind.

 

Herzlich, Simanja

Schule

Wir ergreifen den Füller um die längst fällige Lücke in unserem Tagesablauf-Artikel „Ein tanz normaler Gag“ zu füllen. Es geht also in diesem Artikel um unsere Haupttätigkeit, abgesehen vom Überleben.

Von dort wo wir aus dem Taxi aussteigen, sind es knapp 300m bis zur Schule. Wenn wir genügend früh dort sind, sehen wir gerade noch, wie die Kinder ihren „bewegten Unterricht“ in einer Art Zugschule absolvieren und dann in die Klassenzimmer geschickt werden. Wir begrüssen all die Lehrer, die selbst noch nicht im Zimmer sind, mit den üblichen Fragen und ziemlich klar vorgegebenen Antworten: „Wie geht’s? Wie geht’s deinem Haus? Wie geht’s mit der Gesundheit? Wie geht’s mit der Kälte (hier ist nämlich auch Winter)? Hast du gut geschlafen? Bist du gut aufgewacht? – Es geht gut. Es geht. Es geht ein bisschen. Danke.“

Natürlich begrüssen wir auch den Generaldirektor, den Generalsekretär und die Verwalterin (die einzige Ausländerin neben uns), falls sie anwesend ist. Ja, Formelles ist sehr wichtig, auch die minutengenauen Stundenpläne, an die wir unsere Lektionen anpassen mussten. Wenn wir dann aber zum ersten Schulzimmer schreiten und klopfen, gelingt es uns immer wieder, eine willkommene Überraschung zu sein. Dafür werden wir von anderen Lehrern wirklich mit schweizerischer Pünktlichkeit erwartet.

Wir haben zwei Aufgaben. Einerseits gehen wir einmal pro Woche in jeder Klasse vorbei, um ihnen eine Geschichte aus dem alten Testament zu erzählen. Wir arbeiten mit kürzlich erschienenen Kinderbüchern mit kulturell angepassten Illustrationen. Die Hauptunterrichtssprache und die Schulbücher sind in Französisch, was für fast alle dieser Kinder bereits die zweite Fremdsprache ist. Zu Hause sprechen sie eine der ca. 135 Landessprachen und auf der Strasse lernen sie als erste Fremdsprache das Tschadarabische.Die Bilder sind also sehr nützlich, da vor allem bei den Kleineren das Französischniveau sehr tief ist und wir ihnen nur wenig Tschadarabisch „einbrocken“ können.

Unsere zweite Aufgabe besteht darin, Bibliotheksstunden anzubieten. Wir übernehmen für ca. 30min. jeweils eine Halbklasse und bieten ihnen eine Auswahl von Kinderbüchern und -zeitschriften zur Lektüre an. Die Fähigkeit des Lesens und vor allem des Verstehens ist bei den meisten ziemlich gering.  Wir versuchen sie jeweils am Anfang der Lektion mit Leseverständnisrätseln zu fördern. Diese und letzte Woche haben wir ausnahmsweise Puzzles gemacht. Das war ein Spass! Für die meisten Kinder war es das erste Mal.

Wir hoffen, dass unser etwas anderer Unterrichtsstil, die Lehrer zu mehr Methodenvielfalt inspiriert. Dabei muss ich, Anja, aber feststellen, dass ganz vieles, was ich in der Ausbildung und bisherigen Berufserfahrung als richtig und wichtig gelernt habe, hier schlicht nicht anwendbar ist. Bei Klassengrössen von (an unserer Schule „nur“!) 50 Kindern, Schulzimmergrössen von 28qm und sozusagen ohne Material, wird man in seinen Methoden definitiv eingeschränkt. Die Frage der Disziplin und Konzentration stellt sich uns immer wieder. Wir versuchen auch da, den traditionellen tschadischen Methoden Alternativen entgegenzustellen.

 

Zum Material und der Infrastruktur

Als wir eine Woche vor Schulbeginn erstmals das Schulgelände sahen, konnten wir uns nicht vorstellen, dass hier in einer Woche Schule stattfinden sollte. Aber erstaunlicherweise war dann alles startklar: sieben Schulzimmer, wobei einige nur aus Wellblechwänden bestehen. Ein weiterer Faktor, der konzentriertes Arbeiten erschwert und es uns verunmöglicht, in Zimmerlautstärke die Geschichte zu erzählen, wenn im Nachbarszimmer im Chor Englisch geübt wird.

Aus der Schweiz kommend, ist es unglaublich zu sehen, wie hier niemand eine Kopiermaschine braucht. Auch Laminiergeräte, Hellraumprojektoren, Beamer, Gruppenräume, Turngeräte, Lehrerpulte, Lavabos, Papier, Farbstifte, usw. sind nicht vorhanden. Jedes Schulzimmer hat eine „Wandtafel“ (schwarz angemaltes Brett) und jeder Lehrer holt sich am Morgen seine Ration Kreide und einen langen Massstab. Die Schüler bringen selbst Hefte und Kugelschreiber mit.

Wie ihr seht, sind die Umstände von Infrastruktur, Klassengrösse, Material und Sprache nicht einfach. Aber die Arbeit an der Schule macht uns viel Spass und das gemeinsame Vorbereiten der Geschichten ist interessant.

Wie ihr vielleicht auf den Fotos erkennen könnt, ist hier „altersdurchmischter Unterricht“ kein Diskussionsthema sondern einfach an der Tagesordnung.

Ach du schöne Wüste

Seit wir im Tschad sind, im einem Land, das zur Hälfte aus Wüste besteht, wünschen wir uns, die Sahara zu sehen. Und wie es sich herausstellt, ist der Tschad unterdessen das sicherste Land für Saharatourismus, da Libyen, Mali und Niger dafür aus politischen Gründen geschlossen sind. Wir haben uns schon mehrmals bei der staatlichen Reiseagentur gemeldet, doch leider kam ihre Reise mangels Teilnehmer nicht zustande. In der Hoffnung, dass der Tschad wiedermal happent, riefen wir eine Woche vor Reisebeginn einer privaten Reiseagentur an und siehe da: da waren noch zwei Plätze frei. Alhamdu lillah! Unsere ReisekumpanInnen (Deutsche, Österreicher und ein Italiener) kamen am Flughafen an und stiegen direkt in die drei Jeeps ein. Die nächsten dreieinhalb Tage fuhren wir Richtung Nordosten, bis wir dann das Gebirge Ennedi erreichten. Am dritten Abend, noch in der Nähe eines kleinen Städtchens, erhielten wir je eineinhalb Liter Wasser, um uns zu waschen. Wir gossen und genossen es, allerdings mit ein bisschen Angst, dass das die für eine Woche die letzte Waschgelegenheit sein könnte. Alle Mitreisenden hatten schon diverse solche Wüstenreisen hinter sich, wussten, wie das Kamel läuft – und hatten Feuchttücher dabei. Zu unserer Erleichterung und Hygienisierung gab es alle drei Tage eine Ration Waschwasser. Soviel zum Badezimmer, nun zur Toilette: sie befindet sich am selben Ort oder einfach irgendwo. Ein Sprichwort aus der Sahara dazu: „Es ist besser, jemanden beim Kacken zuzusehen, als beim Holzhacken.“ (Bei Letzterem könnte man nämlich einen Splitter ins Auge abbekommen.) Während einer Woche wanderten wir dann durch unglaublich vielfältige, wunderschöne Landschaften. Um weitere 1000 Worte darüber zu sparen hätten wir seeehr gerne ein paar Fotos beigefügt. Doch leider ist der Stundenlohn zu klein und die Nerven zu wertvoll, als dass wir uns bei dieser Internetverbindung die Warterei noch länger antun wollen. Wir lassen die Bilder so bald wie möglich folgen.

Beeindruckend aber schwer aufs Bild zu bringen waren die vielen Felsmalereien, die von einer Zeit berichten, in der hier saftige Weiden Kühe beherbergten, und sogar Girafen zeigen. Und dazu der nahtlose Übergang zu heute: in denselben Felsunterständen lagern die Nomaden ihre Zeltstangen, die sie nicht zum nächsten Lager schlappen wollen. Besonders genossen haben wir die Stille in der Nacht, wie sich die Teilnehmer an unserem Geräuschrätsel vorstellen können – by the way: sind schon Karten angekommen? Die Nächte unter dem wunderschönen Sternenhimmel genossen wir solange, bis der Wind unsere Ohren und jegliche anderen Öffnungen mit Sand füllte. Wir wissen jetzt warum Kinder in der Sahara nicht gut schlafen, wenn man die Gutenachtgeschichte vom Sandmännchen erzählt. Und obwohl es uns immer noch ein bisschen befremdet, dass in der Hauptstadt Taxifahrer allen Ernstes mit Turban unterwegs sind, verstehen wir die Nützlichkeit dieses Kleidungsstücks in der Wüste: schliesslich befindet sich der Grossteil aller körpereigenen Sandfänger am Kopf. Dank unserer italienischen Reisebegleiterin wurden wir mitten in der Wüste verwöhnt mit Käse, Würsten, Panetone und Spumante. Und unser exzellenter tschadischer Koch konnte sein Risotto mit echtem Parmesan veredeln. Als Tourist unter solchen Umständen diese Weltgegend zu sehen ist fantastisch, aber bei Weitem nicht zu vergleichen mit dem Nomadenleben. So waren wir nicht nur von der Landschaft, sondern auch von den Menschen beeindruckt, die unter Umständen leben, unter denen wir Europäer es wohl nicht lange machen würden.

18. Dezember

Weihnachten

Ein Fest, das alle Jahre wieder gefeiert wird. In der Schweiz ist es so normal, ja, manchmal beginnt es sogar zu nerven, dieses ganze „Weihnachtsgetue“. Hier ist es anders. Wir werden kaum mit Weihnachten konfrontiert und geniessen deshalb alles, was irgendwie mit Weihnachten zu tun hat. So freuen wir uns riesig über den Adventskalender, den wir bekommen haben, genauso wie über jede Karte die wir aus der Ferne kriegen und haben uns sogar eine kleine Weihnachtsdeko aus Altpapier gebastelt.

In einem Land wie dem Tschad fehlt es an allen Ecken und Enden, aber hauptsächlich fehlt es an Frieden. So viele verschiedene Volksgruppen und Kulturen wie hier leben, so viel Potential zur Unterdrückung, Vorurteilen, Einschränkungen und sogar Hass ist hier vorhanden. Nur zu oft entfaltet sich dieses Potential. Aber ist es hier so viel schlimmer als in der Schweiz? Wo beginnt denn dieser Unfriede? Beginnt er wirklich dort wo verschiedene Volksgruppen aufeinander treffen, oder beginnt er vielmehr in jedem einzelnen unserer Herzen?

Mögen wir doch dieses Jahr Frieden für unser Herz im Ursprung der Weihnachten finden. Mit Frieden im eigenen Herz, können wir beginnen Frieden in unsere Familien, in unsere Umgebung, unser oder ein anderes Land zu bringen.

 

PS: Tschad happens einmal mehr! Ab morgen machen wir einen auf „Tourist“ und hängen uns einer Reisegruppe an, mit der wir eine Tour in die Wüste machen (http://www.svstchad.com/circuits/le-massif-de-archei). Das bedeutet Folgendes:

–       keine weiteren Adventsblogendereinträge mehr

–       kein Internet mehr, nicht immer Handyempfang

–       wir sind ab dem 1. Januar 2012 wieder in der Hauptstadt

–       wür winschen euch jetzt schön schone Weihnachten

Simanja

17. Dezember

Tschadische Gastfreundschaft 2 und 3

 

Dank unserem Hang zu öffentlichen Verkehrsmitteln (und weil wir uns nicht mit einem Wagen in den n’djamenaischen Verkehr wagen) haben wir schon viele interessante Begegnungen und Erfahrungen in Taxis und Bussen gemacht. In nur einem Bus kann man regelmässig rund 22 Erwachsenen begegnen. Zwei dieser Begegnungen wurden zu Bekanntschaften und Gast-Freundschaften, eben Nummer 2 und 3.

Nummer 2: Unterwegs im Taxi in die Schule sprach sie Anja an und war begeistert von der Idee, eine Schweizerin zu kennen. Die Handynummern wurden ausgetauscht. Nach einigen Höflichkeitstelefonaten äusserte Anja die Absicht, sie einzuladen. Und Simi versuchte, ihr das auf Arabisch mitzuteilen. Ja, das sei nett, doch sie könne gerade nicht, wir sollen doch schnell bei ihrem Vater vorbeigehen um ihm dann zu zeigen, wo wir wohnen. Wie wir ihn finden? Ganz einfach: bei jener Moschee in der Nähe jener Strasse nach jenem Namen (dem ihres Vaters) fragen. Das scheint kompliziert zu werden, doch da wir ja Menschen kennenlernen wollen, ist uns kein Aufwand zu gross. Wir warteten das Nachmittagsgebet ab und zogen los. Diejenigen in der Nähe jener Strasse, die jene Moschee kennen wollen, sind sich nicht ganz einig, wo sie zu finden ist. Doch wir haben uns immer mehr angenähert, bis wir schliesslich beim Hintereingang landeten. Als wir dort nach dem Namen fragten, führte uns ein hilfsbereiter Mann direkt vor die richtige Haustür. Unser Vorhaben, ihrem Vater, der nicht da war, zu zeigen wo sie uns dann besuchen kann, wurde komplett umgedreht: im Nu fanden wir uns als ihre Gäste auf ihrem Teppich wieder. Wir schlossen Bekanntschaft mit der „famille élargie“: Geschwister (solche mit „même père, même mère“) und Halbgeschwister, Cousinen und Cousins, Onkel, Tanten, Grossmütter und auch mit den Neffen ist es mitnichten noch nicht fertig. So sitzen wir in der Runde, uns wird Wasser und Cola vorgesetzt, während die Umsitzenden vor nichts sitzen. Und als Simi seine Cola auf dem Teppich umstösst, wird ihm schnurstracks eine neue serviert. Bevor die Nacht hereinbrach, verabschiedeten wir uns dankend und hoffen, sie bald auf unserem (heute gekauften, laut Anja hässlichen aber Füsse schonenden) Teppich begrüssen zu können.

Nummer 3: Ein anderes Mal nahm uns ein private Fahrzeug einfach mit, als wir einmal mehr etwas verloren am Strassenrand standen. Wir luden ihn und seine Familie (non-élargie) heute Nachmittag um 14.00, 15.00 ein. Um 15.12 kam eine SMS: „Bonsoir, nous avons déjà quitté la maison. Merci.“ Und um 16.00 sind sie auch wirklich angekommen.

Nach dem netten, aber unspektakulären Besuch, rief er uns selbstverständlich an, als sie wieder zuhause waren, um zu sagen, dass sie wieder zuhause sind.

À la prochaine!

 

16. Dezember

Glück entsteht oft durch Aufmerksamkeit in kleinen Dingen, Unglück oft durch die Vernachlässigung kleiner Dinge.

Wilhelm Busch

15. Dezember

Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.

Søren Kierkegaard

14. Dezember

Ausflug aufs Land

Ende November reisten wir ein paar Tage in den Guera, eine Region östlich von N’Djamena. Hier ein paar Impressionen von Beindruckendem:

1.  Auf dem Weg mussten wir immer wieder verlangsamen oder gar anhalten, weil gerade eine Kuh-, Ziegen-, Schaf- oder Kamelherde die Strasse überquerte.

2. Sie existieren wirklich. Die Lehmhütten-mit-Strohdächern-Dörfer „wie im Bilderbuch“. Immer wieder kündigte ein Schild eine Ortschaft an und säumten solche Häuser die Strasse für die nächsten 2 Kilometer. Rundherum hat es kilometerweit nichts. Für uns sehr schwer vorstellbar, dort zu leben.

3. Der Guera erfreut sich topographisch bedingt besonders bei Ausländern aus Alpenländern grösster Beliebtheit. So waren auch wir von den Hügeln und Bergen angetan (siehe einige der Kopfzeilen-Bilder). Zwar scheinen sie zusehends zu zerbröckeln, sind nicht gleich hoch und schon gar nicht schneebedeckt, doch einer hat doch ein bisschen Weiss. Es handelt sich um „Ab-Touyyour“ (Vater der Vögel), der seinen Namen seiner Form verdankt, und seine Weissheit den Pelikanen(!), die auf seinem Gipfel nisten und misten.

4. In der Ortschaft Bitkine verbrachten wir ein paar Tage. Die ca. 10’000 Einwohner haben nicht fliessendes, sondern reitendes Wasser. Das Wasser wird auf Eselsrücken (je ca. 100 Liter pro Esel) hergebracht. Es wird aus einem nahen „Wadi“(ausgetrocknetes Bachbett, unter dessen Matratze noch Wasser fliesst) gegraben.

5. Die Landschaft ist wirklich wunderschön. Es hat sich gelohnt, vor Sonnenaufgang auf dem Gipfel zu sein.

 

13. Dezember

Retrospektive auf die erste Krankheitserfahrung, vor zwei Wochen so geschehen in N’Djamena.

Nach einer Woche Wechselbad der Körpertemperaturen war der Fall, nicht nur der Durchfall, klar: ich muss wissen was das ist. So suchten wir eine empfohlene Arztpraxis (wird hier „clinique“ genannt) auf. Der Arzt sei gerade ausser Haus, sollte bald wieder kommen, sagte ein wartender Patient, und so gesellten wir uns zu ihm. In der Tat, wir hatten die vorsorglich mitgebrachte Lektüre noch nicht lange aufgeschlagen, schon war ich an der Reihe. Ja, da müssen wir Blut, Stuhl und Urin testen, meinte der Arzt nach meiner Beschreibung des Krankheitsverlaufs.

Erfreut über die Hygienevorkehrungen (ich sichtete einen Gummihandschuh) sass ich dem Praxisassistenten gegenüber. Zielsicher traf er meine Vene und hatte bald eine Spritze aufgesogen. Und nun löste er auch den Gummihandschuh wieder, den er nämlich nicht angezogen, sondern zum Blutstauen mir um den Arm gebunden hatte. Zu guter Letzt klebte er den zum Abtupfen des Blutes verwendeten Wattebausch mit zwei Stückchen Malerklebeband als Pflaster auf. Mit zwei Fläschchen und dem Auftrag, diese bald zur Untersuchung gefüllt zurückzubringen, entliess er mich.

Als ich mich wie vereinbart am späten Nachmittag zum dritten Mal zur Praxis geschleppt hatte, musste ich feststellen, dass ich diesmal eine Lektüre hätte brauchen können. Eine knappe Stunde später war ich wieder am Start und da wurden mir die Resultate erklärt: Malaria (daher das Wechselfieber), Typoid (habe mit Salmonellen zu tun, daher der Durchfall) und Amöben. Darf’s sonst noch was sein? Nein, danke!

Nach dem Gang in die Apotheke fühlte ich mich dann aber plötzlich relativ viel besser. Relativ zu dem Menschen, den ich dort hinter der Theke sah und hörte. Dem Röcheln nach dem Sterben nahe, empfing er eine Spritze vom Apotheker. Ich machte mir Sorgen. Doch dann, oho, oho, stand der gute Mann einfach auf und verliess ohne ein Wort zu sagen die Apotheke.

Unterdessen geht es mir auch absolut viel besser und seit ich heute morgen sogar 36.0°C Fieber gemessen habe, überlege ich mir bereits die Medikamente abzusetzen, damit meine Temperatur nicht noch weiter sinkt. Ob es wirklich Malaria und all das wilde Zeug war? Traue den Tests nicht mehr ganz aber bin superdankbar, gesund macht das Leben mehr Spass!

12. Dezember

Zitate aus dem Schulalltag mit der 3./4. Klasse, im wehmütigen Gedenken an Anjas liebe Klasse…

–  „Was ist die Einzahl von ‚die Zapfen’?“ – „Der Zapf.“

–  Entdeckt beim Aufsatzkorrigieren: ‚Bahnferker’, zu lesen als ‚Bahnverkehr’.

–  Zwei Schüler beim Kubb spielen: A: Stell die Figur bitte auf!“ B: „Warte, ich muss nur schnell das Gras fällen.“

–  Sorgen teilen in der Klassenstunde: „Ich konnte nicht gut einschlafen. Ich habe die ganze Zeit gehadert.“

–  Schüler: „Wie alt sind Sie eigentlich?“ – „24“ – „das ist aber noch jung!“ Anderer Schüler: „Ja, deshalb heisst sie ja auch Neuhaus.“

11. Dezember

Weil heute wieder Sonntag ist:

Wer zu ihm kommen möchte, muss glauben, dass Gott existiert, und dass er die, die ihn aufrichtig suchen, belohnt.

Die Bibel, Hebräer 11.6

PS: Auflösung des Geräusch-Rätsels folgt heute Abend, sofern Internet vorhanden ist.

 

Auflösung des Rätsels vom 7. Dezember

A: Jungen, die Pediküre für Männer anbieten, gehen immer schereklappernd in den Strassen umher, um auf sich und ihre Dienste aufmerksam zu machen.

B: Es sind entweder kämpfende Katzen oder Tauben, deren Lärm durch das Wellblechdach so verstärkt werden, dass man meint, das können eigentlich nur Solarpanelräuber sein.

C: Grosse Säcke, die als Rieseneiswürfel geliefert werden, müssen mit einer Eisenstange zu “Crushed Ice” verarbeitet werden, um dem Teig beigemischt werden zu können. Über diese Geräusch haben wir selbst, vor allem nachts wenn wir davon geweckt wurden, gerätselt, bis Simi das Grübeln nicht mehr aushielt und auf Nachfrage prompt eingeladen wurde, dem nächtlichen Teigen beizuwohnen.

Und die Gewinner sind:

Ah, es ist einfach zu schwierig! Und dann noch der Einfluss der uns umgebenden “kollektiven” Kultur (on est ensemble!), sowie die grosse Freude an der zahlreichen Teilnahme. Wir können einfach nicht anders, als euch allen eine einzigartige, wirklich sehenswerte, individuell schiefgeschnittene, neugekauftvergilbte Postkarte zu senden.

Gratulatioooon! Ihr habt es euch redlich verdient.

10. Dezember

Posttraumatische Verstörung

Wo soll ich bloss beginnen…? Die Post hier funktioniert nicht ganz so wie unsere geliebte Schweizer Post, aber wie funktioniert sie denn? Dem wollten wir letzte Woche auf die Spur gehen. Bis jetzt haben wir herausgefunden, dass angekündigte Pakete oder Briefe noch nie bis zu uns gefunden haben, aber Unangekündigte uns schon öfters überrascht haben. Wie es in der Gegenrichtung ausschaut, das wissen wir bis jetzt noch nicht. Deshalb haben wir in aller Eile einige Briefe und Pakete fertig gestellt, damit sie natürlich noch vor Weihnachten die Wüste überqueren. Letzte Woche, am Mittwochnachmittag, machten wir uns auf die Reise zur Hauptpost an der „Nasara-Strasse“ (mit den Geschäften, die hauptsächlich Weisse interessieren). Eines von drei kleinen Postbüros in der Millionenstadt, befindet sich zwar ganz in unserer Nähe, aber die bisherigen Besuche dort konnten unser Vertrauen noch nicht ganz gewinnen. Weil uns diese Pakete doch wichtig sind, machten wir die ca. 40min. Reise zur besagten Hauptpost. Leider hatte diese aber bereits geschlossen, als wir um 15.00 Uhr dort ankamen.

Donnerstag war „Tag der Demokratie“, ein Feiertag, und am folgenden Tag wie üblich „journée courte“ wegen des Freitagsgebets (am Freitag Nachmittag). Ebenfalls keine Möglichkeit für uns, da wir am Morgen arbeiteten. So war der Samstag unser nächstmöglicher Termin um unsere Post auf die Reise zu schicken.

Am Samstagmorgen, erneut auf dem Weg zur Hauptpost, kamen wir noch an unserer kleinen Quartierspost vorbei, wo die Türen weit offen standen. So nutzten wir die Gelegenheit um schnell zu fragen, ob es vielleicht was in unserem Postfach habe. Allerdings war weit und breit niemand in der Post anwesend, nicht einmal schlafend hinter dem Schalter, wo wir die gute Frau das letzte Mal wecken mussten. Um lange zu warten hatten wir keine Zeit, wollten wir doch früh an der Hauptpost sein. Punkt 9.00 Uhr standen wir vor einem kleinen Schalter in der riesigen Halle, wo man seine Fracht loswerden sollte. Leider war niemand hinter dem Schalter, obwohl die Post schon seit einer Stunde offen war. Nachdem wir langsam mal alle Pakete und Briefe schön ausgelegt hatten, kam ein Herr auf uns zu und sagte, er werde die betreffende Dame anrufen. Nach dem Telefonat versicherte er uns, dass sie gleich kommen werde. So setzten wir uns hin. Nach einer halben Stunde holte sich Simi mal einen Gahwa (Kaffee), um sich die Wartezeit zu versüssen. Wir begannen uns bereits zu fragen, ob dieser Herr uns vielleicht in seiner indirekten Kommunikation mitteilen wollte, dass heute niemand arbeite. Aber da kam erneut ein Herr auf uns zu und versicherte, sie komme bald, sie wohne eben ein bisschen weit weg. Es scheint in dieser Stadt also genau eine einzige Frau zu geben, die ein Paket oder einen Brief frankieren und versenden darf. Weder ihre Arbeitskollegen vom Gebäude nebenan, wo man Brief abholen kann, noch ihre Arbeitskollegen vom anderen Gebäude nebenan, wo man Pakete abholen kann, könnten kurz ihre Arbeit übernehmen. (Die vom Paketgebäude arbeiten am Samstag sowieso nicht, obwohl sie es laut Öffnungszeiten tun.)

Punkt 10.00 Uhr ist die gute Frau dann doch eingetroffen und hat ohne weitere Umstände ihre Arbeit aufgenommen. Sie begann eines um das andere zu wägen, bis sie beim grössten Paket angelangt war, das nun wirklich zu gross war, um auf der Briefwaage gewogen zu werden. Sie könne das aber nicht absenden, ohne dass sie wisse, wie schwer es sei. Ob ich es nicht wisse. Nein, ich hätte leider keine Waage zu Hause.  Also gut, dann muss das Paket im anderen Gebäude bei den Paketen gewogen werden. Ich wandere also erneut ins andere Gebäude und wäge mein ca. 1,8kg Paket auf einer riesigen 200kg Waage. Mit dieser Angabe berechnete sie nun einen für mich schwer durchschaubaren Gesamtbetrag von 55’000 CFA (110 sFr.). Das sei aber sehr teuer, meinte ich, da ich meinen Ohren und Augen kaum traute. Als sie meine Entrüstung sah, schien sie Mitleid zu haben. Ja, das sei wirklich sehr teuer. Sie versuche noch einmal zu rechnen. So kam es zu einem neuen Betrag von 45’000 CFA. Ich fand das immer noch sehr teuer. So errechnete sie den dritten und letzten Betrag von 42’000 CFA (84 sFr.) und meinte, sie wisse dass es teuer ist, aber sie habe wirklich alles nur mögliche abgezogen und ich wolle halt auch wirklich unglaublich viele Dinge versenden. Dafür gehe die Fracht noch heute aufs Flugzeug.

Dieses Erlebnis war leicht verstörend und hinterliess in mir folgende Fragen:

–       Was ist, wenn diese gute Frau eines Tages einen Unfall hat? Kann dann niemand mehr in ganz N’Djaména Pakete oder Briefe frankieren?

–       Warum kann die Schweizer Post eigentlich wissen, dass ein A-Post Brief seinen Empfänger am nächsten  und ein B-Post Brief am übernächsten Tag erreicht?

–       Hat der Umstand, dass so viele Tschader Nomaden sind, Auswirkungen auf die Relevanz der Post?

9. Dezember

Wenn das Gehirn so einfach wäre, daß wir es verstehen könnten,
wären wir zu dumm, um es zu begreifen.

Jostein Gaarder

 

PS: Wäre jemand froh um unseren alten Suzuki Swift? Er ist einfach zum Brauchen bis wir wieder heimkommen, falls 🙂 Bitte schnell melden!

8. Dezember

Unsere kleine Farm

Die Leute unter euch, die uns besser kennen, werden folgende Zeilen kaum glauben können. Wir selbst können es manchmal kaum fassen.

Wir haben eine Katze!

Wollen tun wir sie eigentlich nicht, aber haben tun wir sie definitiv. Sie heisst Hubi, (mit englischem Akzent ausgesprochen) und ist ca. 4 Wochen alt. Ihre Mutter hat sie verlassen, dummerweise in unserem Innenhof. Da lag der kleine Fratz am 1. Dezember 2011, schreiend und sich verwirrt im Kreise drehend. Was sollten wir bloss tun? Unsere anfängliche Hoffnung, dass die Mutter ihn uns nur kurz ausgeliehen hat, löste sich nach der ersten durchmiauten Nacht in Luft auf. Na gut. Ein bisschen Milch könnten wir ihm ja hinstellen. Leider kann er auf diese Art noch nicht trinken und den Plastiksack mit Löchlein in der Ecke findet er widerlich. Was machen wir bloss? Langsam nervt das herzzerreissende Gemiaue wirklich.

Unser Nachbar schlägt vor, es zu töten. Wir wollen ihm noch eine letzte Chance geben, wir kennen nämlich jemanden der eine Katze mit Jungen hat. Vielleicht adoptiert sie es ja? So nehmen wir das schreiende Kätzchen in einem Kartönchen mit und machen uns auf den Weg, auf dem wir nach viermaligem Erklären der Situation und angepinkelt werden im Taxi, das Kätzchen seiner Steifmutter ausliefern. Nach einer zweistündigen Versuchsphase bittet uns dann aber die Katzenbesitzerin, das Kleine wieder mitzunehmen, gibt uns aber noch eine Spritze mit, mit der wir weitere Fütterversuche unternehmen können. Langsam aber sicher erschöpft, verhielt sich das Kätzchen glücklicherweise ruhig auf dem Nachhauseweg.

Zu Hause angekommen, machten wir uns an die undankbare Aufgabe, ein Kätzchen zum Trinken zu zwingen…

Ob man so ein Kätzchen wirklich durchfüttern will, muss man sich doch gut überlegen. Wir beide wollten nie eine Katze besitzen, und wenn überhaupt, dann sicher einer Schöne (und das ist unser Hubi leider nicht besonders J).  Aber wenn wir ihn füttern, dann wird er wahrscheinlich bei uns bleiben. Müssen wir dann Katzenfutter kaufen? In einem Land, in dem Kinder an Unterernährung sterben? Wir, die wir aus einem Land stammen, in dem Kinder abgetrieben werden? Wer bringt ihm denn das Jagen bei? Müssen wir auch in der Nacht aufstehen, um ihn zu füttern? Aber können wir ihn denn einfach sterben lassen? Oder sind wir hier mit dem Auftrag konfrontiert, die Schöpfung zu pflegen und zu erhalten? Und wenn schon nicht durchfüttern, dann nicht einfach verhungern lassen, da müsste ihn schon jemand töten. Wer ist denn der „jemand“?  Und was machen wir denn mit einer toten Katze? Also das ist beinahe so kompliziert wie Fragen zum Thema Familienplanung!

Als er dann am Samstagmorgen immer noch lebte, sogar ein bisschen was trank und soweit zu Kräften gekommen zu sein schien, dass er sich in Simons blaue FlipFlops verliebte, ist die Entscheidung irgendwie von selbst gefallen.

So haben sich Simi und ich dank Hubi wieder mit der Tierwelt angefreundet und als mir meine Mutter am Telefon sagte: „Also wennd en scho füätterisch, mueschem au s’Büüchli massiärä. Das ghört däzue!“, führte ich den Auftrag ohne Widerrede aus.

Heute (5.12.11) morgen sah Simi Hubis Mutter ihn wegtragen und wir atmeten auf. Sie hat ihn nun doch als säugenswürdiges Kind anerkannt. Doch gegen Abend lag der unbeholfene Knäuel wieder in unserem Innenhof. All die Hoffnung für d’Chatz. So haben wir definitiv beschlossen, ihn zu adoptieren.

Ach ja. Der Titel heisst ja „Unsere kleine Farm“. Es wäre ja keine Farm, mit einem einzigen kleinen Kätzchen. Wir haben auch eine Kröte.

 

 

Heute, am 8. Dezember 11 mussten wir den kleinen Fratz leider einschläfern. Wir haben es nicht geschafft, ihm am Leben zu erhalten. Mich hat das einige Tränen gekostet, obwohl ich ihn ja eigentlich nicht wollte, habe ich ihn doch lieb gewonnen. Und es stimmt, er war ein schönes Kätzchen.

7. Dezember

N’Djamenas mysteriöse Geräusche

A: Es klingt wie das Glöggli des Krischtchindlis, ist aber an allen Tagen in allen Strassen zu hören. Was ist das?

B: Es klingt mehrmals nächtlich, als würde jemand über das Dach einbrechen oder versuchen das mit Drähten befestigte Solarpanel zu klauen. Was ist das?

C: Dieses Geräusch kommt nachts aus der benachbarten Bäckerei, doch es klingt als wäre jemand mit Hammer und Amboss am Werk. Was ist das?

Antworten werden als Kommentare entgegengenommen. Wer mehr als die Hälfte der Fragen richtig beantwortet, erhält Überraschungspost von der tschapdate-Redaktion. Sollte wider Erwarten niemand diese Hürde überwinden, geht die Post in Richtung des Kommentators mit den amüsantesten Lösungsvorschlägen ab. Einkommentiereschluss ist der kommende Samstag, 10. Dezember. Und los geht es:

Jetzt!

5. Dezember

Härdöpflgratää

Hier eine kleine Anekdote zum Thema Missverständnis, Kommunikation oder Erwartungen. So geschehen am 28. November 2011 in N’Djaména.

Schweizerisch, wie ich halt immer noch bin, nahm ich heute morgen früh das Rezeptbuch zum Solarofen zur Hand und suchte ein Rezept heraus, das uns unsere Haushaltshilfe kochen könnte. Sie kommt drei Mal in der Woche, nimmt uns Arbeit ab und bekocht unsere WG. Heute war es zum ersten Mal meine Aufgabe, ihre Arbeit zu definieren und mit ihr zu besprechen. Da wollte ich doch schon mal gut vorbereitet sein.

Als ich sah, dass es ein Kartoffelgratinrezept für den Solarofen gibt, waren Simi und ich uns einig, was wir gerne als Mittagessen hätten. Einem Kartoffelgratin sind wir nämlich hier im Tschad noch nie begegnet.

Als sie kam, zeigte ich ihr das Rezept, wir schrieben die Einkaufsliste und sie machte die Besorgungen auf dem Markt. Als sie zurück war, machte sie sich ans Rüsten und ich ans Vorbereiten für die Schule. Als ich kurz darauf in die Küche ging, um mir was zu holen, fragte sie mich, ob sie das im Kuchenblech machen solle. Ich meinte, das Blech sei zu nieder für einen Gratin, sie solle ihn in einem Topf machen (wir besitzen natürlich keine Gratinform). Ausserdem wusste sie nicht was „girofle“ sind, so zeigte ich ihr das Gefäss mit „Nägeli“. Ach ja, wo das Backpulver sei, wollte sie ebenfalls noch wissen. Ich gab es ihr. Schliesslich habe ich sie ja gebeten, anschliessend noch einen „Guetzliteig“ zu machen. Eine halbe Stunde später war der Topf im Sonnenofen, wo er für die nächsten  zwei Stunden bleiben sollte. In der Zwischenzeit erledigte sie die anderen Aufträge und machte auch den Guetzliteig, wobei sie mich noch einmal um Backpulver fragte.

Kurz nach 12.00 Uhr verabschiedete sie sich und wir begannen den Tisch – äh den Boden zu decken. Ich holte den Gratin aus dem Ofen, legte das Schöpfbesteck bereit und schon wollten wir loslegen. Deckel weg und – ups? Ist das wirklich Kartoffelgratin? Sieht eher aus wie ein Katoffel- und Zwiebelbrot! Da muss wohl oder übel ein Messer her, damit sich jeder eine Scheibe abschneiden konnte. Leider war das ganze ziemlich teigig und wegen der vielen ganzen Nägeli nicht so einfach geniessbar.

Mit jedem Biss Kartoffelgratinbrot wurde mir klarer, weshalb sie schon bei der Zubereitung des Gratins nach Backpulver fragte und woher sie das leere Gewürzgefäss hatte um etwa den frisch gemörserten Ingwer zu verstauen. Und warum sie wegen des Blechs fragte, wurde mir klar, als ich mich erinnerte, dass sie vor einer Woche von meiner Mitbewohnerin gelernt hatte, eine „Böllätüllä“ zu machen – und da das aus dem selben Rezeptbuch stammte, musste es ja fast ein Teig sein.

Das nächste Mal, als sie zur Arbeit kam, fragte sie dann auch, ob das Brot gut gewesen sei.

Kartoffelgratinbrot

Aber ich habe einiges gelernt:

  1. Wenn jemand weder gewisse Zutaten (siehe Nägeli) noch das Endprodukt (siehe Gratin) kennt, muss man sich ausgiebig Zeit zum Erklären nehmen, wenn man nicht Menue Surprise erwartet. Sonst fällt das Resultat zwischen Stühle und Bänke bzw. Kissen und Matten.
  2. Wenn für beide alles klar ist, heisst das nicht, dass sie das selbe „alles“ meinen.

4. Dezember

Zum Sonntag, dem Ruhetag:

Jesus sagt: “Kommt alle her zu mir, die ihr müde seid und schwere Lasten tragt, ich will euch Ruhe schenken.”

Die Bibel, Matthäus 11.28

3. Dezember

Gemütlich sitzen wir beim Z’morgä bei Musik aus dem neu gekauften Radio. Doch anstatt Nachrichten kommt die Ansage, dass Radio France International (RFI) heute streikt und daher nur ein Musikprogramm sendet. Jedenfalls in dieser Hinsicht ist das koloniale Erbe hier noch spürbar. Unbeeinflusst davon kommt hiermit für euch Nummer 3 des Adventsblogenders – mit einer Bitte:

Wer noch alte Mixtapes hat, darf sie uns gerne schicken, wir werden sie entweder selber hören oder wenn sie uns nicht gefallen einem Taxichauffeur verschenken. Wir hören nämlich RFI mit einem richtigen Kassettenrekorder.

Adventsblogender 1

Dank Windows dürft ihr jeden Tag ein Fenster im Adventsblogender öffnen. Nach Reisen, Krankheit, Strom- und Internetmangel wollen wir die nächsten 23 Tage etwas fleissiger sein. Das ist ein Vorsatz. Etwas stabiler als ein Neujahrsvorsatz, hoffentlich, aber man kann nie wissen, denn: Chad happens!

Wenn wir schon gerade online sind, nutzen wir das, um euch mitzuteilen, dass ihr uns fehlt. Eine Weihnachtszeit ohne Weihnachtszeit, ohne alle typischen Anzeichen wie Christkindlmarkt Konstanz, Glühwein, Geschichten, Guezli, Kerzen, Kälte, Schlitteln, Stress, Advents- und Kaffeekränzchen, Karten und vor Allem ohne Familie und Freunde, das ist schon ein wenig trist. Dem Ganzen wird ein bisschen Schwere genommen durch den Umstand, dass täglich die Sonne scheint und Nebel inexistent ist. Darum schreiben wir diese Zeilen danke Photovoltaik und freuen uns auf das Brot aus dem Solarofen.

Die Wonnen des tschadischen Wohnens

Ja, es ist soweit, wir leben nicht mehr ungezügelt, sondern sind in ein tschadisches Mittelstand-Haus gezogen. Im Folgenden möchten wir auf die Vorzüge der Wohnart in unserem neuen Wohnort hinweisen:

 

Nie mehr Chromstahlspülbecken polieren – Traum jeder Hausfrau!

Die Waschmaschine kann nicht kaputt gehen, sondern höchstens krank werden.

Nie mehr die Hände an zu heissem Wasser aus dem Wasserhahn verbrennen.

Kein Bedarf, Staubfänger zu kaufen – jedes Objekt (und sogar wir Subjekte, wenn wir irgendwo länger sitzen) können Staub fangen.

Keine Sparwasserhahn-Aufsätze mehr – wenn Wasser kommt, dann sicher nur sparsam.

Nie mehr den Parkettboden bohnern, keine Möbel polieren, keine Fensterscheiben putzen. All das ist nicht vorhanden (mit Ausnahme von zwei handgezimmerten Schemeln à je 2 CHF.)

Das Schlafen auf der Veranda erspart das Öffnen der Fenster um frische Luft zu haben in der Nacht.

Man ist nicht allein für die Kindererziehung zuständig – alle Nachbarn müssen mithelfen, wenn das Kind zu ihnen auf die Veranda rennt.

Es hat nur sehr wenig Elektrosmog. Strom hatten wir bis jetzt keinen – dafür müssen sehr viele Faktoren stimmen: Die bestehende Leitung muss funktionieren, es muss von allen drei Parteien in der Concession und vom Vermieter zusammen im Voraus bezahlt werden (inklusive ausstehende Beträge aus den Monaten vor unserem Einzug), und es muss auch noch gerade Strom fliesen in unser Quartier.

Keine Ausgaben für teure Freizeitbeschäftigungen, leben ist Beschäftigung genug.

Kein Proteinmangel dank Lebewesen in den Vorräten.

Genug Schlaf, da man im Taschenlampenschein nicht so lange durchhält.

Training der Fähigkeit, trotz heterogener Geräuschkulisse schlafen zu können.

Das „Tischputz-Ämtli“ und das „Bodenwisch-Ämtli“ fallen zusammen.

Es muss keine Sandkasten angeschafft werden für die Kinder, sie können einfach im Innenhof spielen.

Beach-Party ist jeden Tag möglich.

Wenn man den Schmutz auf der Veranda unter den Teppich (bzw. die Matte) kehrt, ist er bereits am richtigen Ort.

Haustieren müssen nicht gefüttert werden – sie bleiben auch so dem Haus treu und jagen ihr Essen selber.

Keine Wasserverschwendung zum Spülen der Toilette – plumps und weg!

Kühlschrank enteisen entfällt vom Putzplan.

Man muss nicht jeden Abend alles unters Dach nehmen, damit es nicht vom Regen oder Tau nass wird  – einfach nicht bis im Mai, Juni liegen lassen.

Nie mehr Altpapier bündeln – die Zeitungen, die man am häufigsten antrifft, sind alte Nigerianische, die als Verpackungsmaterial verwendet werden, vor Allem seitdem Einweg-Plastiksäcke verboten wurden.

Das Sitzen, Kochen, Essen etc. am Boden und das Aufstehen vom Boden fördert denAufbau bisher vernachlässigter Muskelpartien.

Der Siphon wird nie verstopft, da Abwasser im Innenhof oder im Strassengraben ausgeschüttet werden kann, wo es im Eimerumdrehen verdunstet.

Keine Heizkosten. 

Zügeltag

Heute haben wir unseren Zügeltag abgezügelt. Also eigentlich ist Streik und alle Beamten, inklusive Lehrer haben die proletarische Pflicht, sich der Arbeitslosigkeit zu widmen. Und es wirkt: die Forderung einer Lohnerhöhung um 100% soll bereits um 20% entsprochen worden sein. Wir arbeiten zwar an einer privaten Schule, doch nachdem bei uns vorgestern bis zur Pause gearbeitet wurde, hiess es, wenn wir weiter arbeiten würden, hätten wir mit fliegenden Steinen zu rechnen. So wurden die lernfreudigen Kinder heimgeschickt und carrément auf Montag vertröstet.

 

Wir nehmen es dennoch als Zügeltag, denn am Montag können wir aus dem Gästehaus in eine WG mit einem amerikanischen Päärchen ziehen. Wir wissen das erst seit Dienstag, aber da wir die Post nicht umleiten müssen (es gibt immer noch keine Briefkästen und –träger, es bleibt also bei unserer Postfachadresse), das Telefon nicht einen Monat im Voraus abmelden und auch sonst keine Ämter aufsuchen müssen, können wir innert einer Woche gut zügeln.

 

Diese Wohnung befindet sich in einem tschadischen Gehöft. Klingt romantisch, oder? Ist es auch. Eine sandbedeckte Veranda, in der wir Matten auslegen werden, kochen auf Gas und im Solarofen, weder Tische noch Stühle, geschweige denn Schränke oder dergleichen. Mit anderen Worten: permanentes campieren auf einem Ein-Stern-Zeltplatz mit zuweilen fliessendem Wasser, Plumpsklo und „Wechselstrom“. Wer nach diesen Zeilen immer noch romantische Gefühle hat, sei an dieser Stelle herzlichstens eingeladen, uns heimzusuchen!

 

Bilder und Vorteile des tschadischen Wohnens folgen in weiteren Artikeln.

 

Doch zurück zum Zügeltag. Wir haben also den freien Tag genutzt, indem wir auf dem in handwagenschiebnähe gelegenen Markt einige Besorgungen für ein heimeliges Heim machten. Nachdem wir uns bei unseren neuen WG-Gespanen, die das bereits hinter sich haben, über die marktüblichen Preise erkundigt hatten, ging es los. Grussformeln von uns gebend nähern wir uns einem Verkäufer von Haushaltsartikeln um seine Auslage zu begutachten. Da er nicht genug gleichgrosse Becher hatte, und die verschiedenen uns auch noch ein bisschen teuer schienen, zogen wir dankend und abwinkend weiter. Bei seinem Konkurrenten war dann der gewünschte Artikel in genügender Anzahl vorhanden. „waahid be kam? (Wieviel kostet einer?)“ – „tamaniin (achzig)“. Für die nächste halbe Minute sind wir einmal mehr damit beschäftigt, zu rechnen, was das bedeutet. Auf Tschadarabisch werden die Beträge nicht in CFA (zentralafrikanische Francs) angegeben, sondern in „Riyal“, welche 5 CFA entsprechen. (Wie wir noch zu berichten haben aus unserem Bibliothekprojekt, ist lesen nicht jeden Tschaders Sache, aber die Fünferreihe sitzt.) Zurück zum Geschäft! Ähm, also warte mal, das wären 400 CFA, oder? – Genau, aber die sollten für 300 zu haben sein. – Gut, lass uns mal mit „khamsiin (50)“ die Verhandlung starten. – „nantiik khamsiin (ich gebe dir 50, also du weisst schon, ich gebe dir dann schon 250 CFA, aber wir reden ja arabisch)“ – „da buuti (das ist billig)“ – Okay, lass uns das clever angehen! Wir fragen noch, was der Thermoskrug kostet und versuchen dann, das Paket für einen guten Preis unter Dach und Fach zu bringen… So verhandeln wir weiter und schliesslich können Kunde und Verkäufer einander den Handschlag zu einem Preis geben, bei dem alle ihre Ehre bewahren. Gut, dass wir einen Zügeltag haben, denn genug Zeit, um eine Beziehung zu jeden Händler aufzubauen ist essentiell. Der eine bittet uns herein in den Schatten auf sein Bänklein. Während er schnell einen Artikel mit weniger Verhandlungsbedarf verkauft, haben er und wir Zeit, sich nochmals zu überlegen, was als nächstes geboten oder gefordert werden soll. Ein bisschen Schwatzen und die Bemerkung, dass das Moskitonetz, das wir ihm neben der Sitzmatte abkaufen wollen, im Fall „Made in Switzerland“ ist, alles gehört zum Handelsgespräch. Doch neben der aufzubauenden Beziehung, spielen für den Preis noch weitere Faktoren eine Rolle: wie ist sein bisheriges Tagesgeschäft gelaufen? Hat er gerade einen kranken Verwandten, dem er etwas helfen muss (ich bin auch eine Krankenkasse)? Hofft er, uns zu Stammkunden zu machen? Lässt ihn unsere Hautfarbe denken, wir könnten sowieso alles bezahlen oder fühlt er sich geehrt, dass wir bei ihm etwas kaufen?

 

Aber wieviel ist denn diese Matte wirklich wert? Sie hat keinen fixen Wert. Die Frage ist vielmehr: wieviel ist sie mir hier und heute wert? Und wieviel ist sie dem Verkäufer angesichts seiner aktuellen Markt-, Familien- und Gesamtsituation wert? Und wieviel war sie dem Wert, von dem er sie en gros gekauft hat? Sie hat den Wert, auf den wir uns einigen können. Anders gesagt: Fixpreise gibt es für die meisten Artikel nicht, sie werden ausgehandelt.

 

Nach und nach haben wir alles gefunden, „erhandelt“ und bezahlt. Hier eine Bodenmatte, dort zwei Matratzen, da zwei Plastikbecken. Auch einen tschadischen „Kühlschrank“ haben wir: Einen Tonkrug, durch dessen poröse Wand Wassertröpfchen dringen. Die Verdunstung und der vorbeistreichende Wind kühlen das Wasser im Krug. Wer hat’s erfunden? Die Schwitzer!

Die zweite Runde um den Markt machen wir mit einem Handwagen inklusive Schieber und sammeln alles auf, um es in unser künftiges Zuhause zu bringen.

 

Seit Ikea ist Möbel- und Inneneinrichtung einkaufen in Europa eine Freizeitbeschäftigung für regnerische Samstagnachmittage. Hier ist es harte Arbeit an einem sonnigen Freitag Vormittag.

 

Ein tanz normaler Gag

Nach dem ersten Weckruf aus dem Lautsprecher vom Turm nebenan drehen wir uns nochmals um und stehen dann mit der Sonne um 6.00 Uhr auf. Während Simon jeden Tag Baguettes beim Lebensmittelhändler unseres Vertrauens holt, knetet Anja einen Brotteig, um ihm diesen Gang die nächsten Tage zu ersparen. Manchmal geht es länger, wenn gerade Tee angeboten wird, ein paar Brocken arabische Konversation sind natürlich inklusiv. Weil der Mensch nicht vom Brot allein lebt, lassen wir dem Frühstück eine Motivationslektüre folgen. Vor dem Abmarsch stellen wir den Solarofen so auf, dass er um 10.00 Uhr schön bestrahlt wird und legen den Brotteig hinein.

 

45 Minuten vor Schulbeginn stellen wir uns vor die Tür unserer Concession. Dank (?) der Umleitung führt eine Hauptachse direkt an dieser vorbei und wir versuchen ein Taxi zu finden, das uns an den Stadtrand fährt. Da die Umleitung nicht geteert und die Luftmittlerweile 0% Feuchtigkeit enthält, begrüssen wir die Strassenbewässerungstankfahrzeuge trotz offener Scheiben. Mit einem „Estopp“ bringen wir das Taxi zum Halten und bezahlen. Unsere Estrategien um zu Münz zu kommen, werden immer ausgeklügelter. Mit ein bisschen Esport bewegen wir uns zum nächsten Taxi-Parkplatz und fahren zur Stadt raus.

 

Am Stadtrand beginnt das Land. Kamel-, Rinder- und Schafherden von Nomaden begleitet, begegnen uns. Weide und Markt überschneiden sich: Wollen du und dein Freund je ein Schaf für das bald beginnende Tabaski-Fest (iid al-kabiir), so fahrt mit dem Motorrad zur nächsten vorbeiziehenden Schafherde und wählt ein Tier, dessen Fettgehalt eurem Gehalt entspricht. Vorder- und Hinterbeine müssen nun zusammengebunden werden, damit sich die beiden zwischen euch auf dem Motorrad schön ruhig verhalten. Auf geht’s zurück in die Stadt, wo die Tiere bis zum Fest lebendig gelagert werden (das englische Wort für Haus-/Zuchttier, “livestock” erhält eine ganz wörtliche Konnotation). Falls ihr kein Motorrad habt, bietet sich auch der Kofferraum eines Taxis als Transportort an.

 

Vor lauter guten Ratschlägen verpassen wir fast unseren „Estopp“. Von hier gehen wir den Rest zu Fuss bis zur Schule. Dem was dann geschieht,  widmen wir ein ander Mal einen Artikel.

 

Rückweg = gewniH. Ausser dass wir noch einen Abstecher zur Post machen, um unser Postfach zu leeren. Leider wird auf der Post seit zwei Wochen gestreikt, doch der nette Angestellte vom Büro nebenan hilft uns unkompliziert weiter. Vor der Haustür kaufen wir frittierte Süsskartoffelschnitze fürs Mittagessen und nehmen drinnen angekommen das Brot aus dem Sonnenofen.

 

Nach dem Mittagessen gönnen wir uns eine Siesta (obligatorisch um unseren angesichts der Kultur-, Sprach-, und Temperaturanpassung gesteigerten Schlafbedarf zu decken). Schon trudeln die Anjas lernfreudige Arabischkursgenossinnen ein und Simon widmet sich den Phänomenen der Ubi-Sprache.

 

Um 17.00 Uhr verabschiedet sich der Arabisch-Lehrer und wir starten einen ersten Versuch, die Mails zu checken. Falls noch Energie und Tageslicht vorhanden sind, spannen wir die Slackline im Innenhof und fördern bis zum Eindunkeln um 18.00 Uhr das Gleichgewichtsgefühl von drei bis zehn Kindern.

Duschen, Abendessen, Labtop laden, zweiter Versuch die Mails zu checken, dies und das, Kleider für den nächsten Tag waschen, aufhängen und noch ein bisschen abhängen. Die Bettzeit (zwischen 21 und 22.00 Uhr!) kommt bald, denn sonst kommt der Morgen zu schnell.