Concours Toubou 2019 – Didaktisch

“Aber warum lasst ihr mich denn nicht teilnehmen?” Diese Frage stellte uns der Tubu, der schon bei der Entwicklung des Tedaga-Alphabets beteiligt war und als “der erste Tubu-Poet” gilt. Naja, Poesie gibt es schon seit es Menschen gibt und das ist auch bei den Tubus nicht anders. Aber dieser Freund hat als erster seine Gedichte aufgeschrieben und eine kleine Sammlung herausgegeben. Und vielleicht kommt er noch grösser heraus: 2019 hat die UNESCO zum Internationalen Jahr der Indigenen Sprachen erklärt. In diesem Zusammenhang sammeln baskische Organisationen und eine Universität in Guatemala Gedichte für einen Sammelband. Unser Freund hat sein Gedicht “Ka nurã – Meine Sprache” eingereicht.

Unser Tubu-Poet bei der Feier der Veröffentlichung eines neuen Büchleins

Verständlich also, dass wir so einem Überflieger die Teilnahme verwehrten. Jedoch baten wir ihn, mit uns zusammen zu unterrichten. Darauf hatte er nämlich insgeheim mit seiner Frage gehofft und weil wir ihn gut kennen, haben wir es sogar gemerkt 😉 Und so machte er sich umgehend auf den Weg (drei bis vier Tage durch die Wüste, wo in letzter Zeit zunehmend Wegelagerer unterwegs sind) von Bardai nach N’Djamena.

Unser Tubu-Poet ist wohl der begnadetste Lehrer aller Tubus. Lehrer ist nicht nur sein Beruf, es ist seine Leidenschaft. Sein Unterricht ist interaktiv. Im Tschad ein absolutes Ausnahmephänomen. Gekoppelt ist sein Talent damit, dass er das Tedaga-Alphabet wie kaum ein zweiter beherrscht und dieses auch bereits 2012 in Libyen unterrichtet hat – also sobald Ghaddafi gestürzt und die Sprache dort nicht mehr verboten war. Kurz: Tedaga zu unterrichten ist seine Traum-Rolle, seine Stärke, darin geht er auf. Und ab! So ist es dann auch verständlich, dass er sich nicht mehr im Griff hatte, als wir ihm das Mikrofon übergaben, um das Alphabet kurz vorzustellen. Vereinbart waren in der gemeinsamen Lektionsbesprechung 15 Minuten. Nach Ablauf der Zeit war er erst beim Buchstaben “D”. Wir wurden unruhig (da wir ja sowieso schon mit 45 Minuten Verspätung den Kurs angefangen hatten) und diskutierten was wir von den restlichen Lektionsinhalten weglassen könnten und wann wir ihn definitiv unterbrechen müssten. Doch er schien den Verzug überhaupt nicht mitzukriegen und liess sich auch nicht irritieren von Handzeichen oder penetrant neben ihm Hinstehen. Er hielt das Mikrofon für den Rest der Zeit fest in der Hand und schaffte es bis Kursende zum Buchstaben “K”.

Vor der zweiten Lektion rief ich ihn an. Er hatte offenbar im Nachhinein gemerkt, dass er den Bogen überspannt hatte und meinte “heute bin ich nicht dran, gell?” Doch, doch! Aber mit etwas weniger Gestaltungsfreiheit. Ich, Simon, beschränkte mich auf die Moderator- bzw. anfangs noch Wortabschneiderrolle und so wurden Anja und er im Lauf der nächsten Kurstage ein super Gespann. Teamteaching. Ein weiteres Ausnahmephänomen im Tschad.

Das war einer der beiden Hauptgründe, weshalb wir sagen, dass dies didaktisch unser bester Schreibkurs war. Der andere war, dass wir unser Unterrichtskonzept zum fünften Mal, und diesmal radikal umgestellt haben.

Etwas schwieriger hatte es unser Kollege, der den Unterricht der Dazaga-Klasse managte. Es war der erste Schreibwettbewerb-Kurs für ihn. Simon versuchte ihn so gut wie möglich bei der Vorbereitung der Lektionen zu unterstützen. Doch er hatte noch eine weitere Herausforderung: Das Dazaga hat mehr Dialektvarianten, so dass zwei Dialekte von zwei verschiedenen einheimischen Lehrern in der gleichen Klasse unterrichtet wurde. Einer davon ist ein ebenso leidenschaftlicher Lehrer, der jeweils sehr lange das Mikrophon für sich beanspruchte…

Bei diesem “Mikrofon-nicht-mehr-aus-der-Hand-geben-wollen-Problem” prallen genau unsere verschiedenen Kulturen aufeinander. Da stehen auf der einen Seite wir, die die Lektionsinhalte über den ganzen sechswöchigen Kurs sorgfältig ausgewählt und geplant haben. Möglichst pünktlich und nach Plan überreichen wir das Mikrofon. Auf der anderen Seite stehen die tschadischen Lehrer, welchen in diesem Moment das Mikrofon in die Hand gedrückt wurde und welche sich in dem Moment nicht bewusst sind, welche Dauer für ihren Teil am Vortag vereinbart wurde. Für sie findet genau JETZT ein grosses Ereignis statt und wer weiss schon wann sie das nächste Mal mit einem Mikrofon vor diesem Publikum stehen… Da auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen war eine grosse Herausforderung.

Mikorfonkoordination

Nach einer Prüfung (Diktat und Leseverständnis-Test) legten wir die beiden Klassen zusammen. Wir bibberten etwas dabei. Denn die beiden Sprachgruppen Dazaga und Tedaga, die als “Toubou” zusammengefasst werden, würden nicht einmal gut zusammen Kirschen essen, wenn es solche im Tschad gäbe. Es herrscht Rivalität. Somit waren wir einigermassen erleichtert und dankbar, als die erste gemeinsame Lektion zu “wie schreibe ich eine Aufsatz” zwar sehr chaotisch (mit drei einheimischen Lehrern, die Anjas Erklärungen in ihre jeweilige Mundart übersetzten) aber friedlich von Statten ging.

Drei Lehrer in der Dazaga-Klasse

Und schlussendlich haben alle zusammen einen Aufsatz geschrieben. Zu welchem Thema? Fortsetzung folgt.

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