13. Dezember

ABER LEIDER kann man im Strassenverkehr auch Bekanntschaft machen mit der Polizei…

Genau eine Woche nach meiner ersten Autofahrt in N’Djamena war es wo weit: Ich (Simon) wurde von der Polizei angehalten. Also zuerst haben sie mir nur erfolglos zugetrillerpfiffen als ich die zugegebenermassen auffällig freie Kreuzung kreuzte. War ich gemeint? Oder eines der vielen Motorräder, die mich in nicht einmal regelmässigen Abständen und ohne regelkonforme Abstände links und rechts überholten? 

Etwas zögerlich fuhr ich schon, denn auch ein Taxifahrer, der mich (sogar links) überholte, gestikulierte dahingehend, dass ich besser anhalten sollte wegen etwas, das hinter mir ist. Als ich dann auch noch die beiden Beamten zu zweit auf einem Motorrad (mit Helmersatz namens Beret) hinter mir entdeckte, hielt ich bei der nächsten Strassenecke. Ich hatte gelernt, dass man die Türen verriegelt beim Abfahren und die Scheiben nur einen Spalt öffnet, wenn ein Bettler oder Polizist anklopft. Doch dieser Beamte wollte partout, dass ich ihn an Bord nehme und mit ihm zu seinem Posten an der Kreuzung zurückkehre. Ich war fest entschlossen, alles zu machen, dass diese zwei Beamten, die gleich um die Ecke von uns Dienst haben, mich nicht regelmässig rausnehmen und ausnehmen. Erst recht, weil ich ein relativ einzigartiges und somit einfach identifizierbares Auto habe.

Wohl oder übel entriegelte ich und er nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Ich versuchte mein Bestes, die Zeit für Tschadarabisch-Smalltalk-Punktesammlung zu nutzen, während meine Knie doch etwas schlotterten: «Wie geht’s der Familie? Und Ihrem Haus? Mit dem Regen? Bei mir war auch Wasser in der Wohnung letzten Sonntag» etc. Offenbar hatte ich ein bisschen Solidarität gewonnen. Der strenge Blick wich einer freundlicheren Miene. Und als wir dann an der Kreuzung standen, erklärte er mir mein Vergehen: «Bei Rot über die Kreuzung! Also wir können ja alles durchgehen lassen, aber DAS nicht. Wenn Sie damit aufs Kommissariat müssen, wird’s richtig teuer. 100’000 CFA (entspricht etwa 160 CHF) Aber nun gut, du sprichst Tschadarabisch, somit bist du unser Bruder. Wir wollen dich nicht ausnehmen. Du machst den Fehler nicht mehr und wir regeln wir das einfach hier.» Dann wollten sie den Führerschein sehen, den ich aus dem Handschuhfach kramte und präsentierte. Bestanden?

Nein, denn nun fing er wieder an von der grossen Busse, die er mir ersparen wollten. Jetzt war ich dran: «Vielen Dank, das ist sehr nett. Ich habe die Ampel nicht gesehen, das war mir nicht bewusst (((Anmerkung der Redaktion: Das ist ehrlich ehrlich, auch wenn ich weiss dass diese Kreuzung «feux rouges» (Rotlicht) genannt wird. Dass es wirklich realexistierende und dauerhaft mit Elektrizität betriebene Ampeln gibt, überraschte mich, ehrlich))) . Ich bin seit über 10 Jahren im Tschad, aber noch nie selbst gefahren, war immer mit dem Taxi unterwegs. Tut mir leid, kommt nicht wieder vor.» Er: «Ja, genau, eben, du bist unser Bruder, darum nehmen wir dich nicht aufs Kommissariat. Denn dort würdest du erstmal das Auto stehen lassen müssen, denn heute ist Sonntag. Der Bussen-Aussteller ist nicht da. Und am Montag müsstest du zurück und eben die dicke Busse bezahlen.» «Vielen Dank», sage ich und hoffe ein klein wenig, dass er aussteigt. Doch nun ging es erst los. «Ich glaube wir haben uns nicht verstanden. Auf dem Kommissariat wäre es sehr teuer, aber wir sind ja Brüder, wir können das mit der Hälfte regeln. 50’000.» Ich: «Ja, ich sehe, es gibt da ein Gesetz der Strasse für mich, das habe ich gebrochen. Und auch die Polizei ist unter einem Gesetz. Dann machen wir ja das sicher mit einer Quittung, oder? Und wenn nötig würde ich auch zum Kommissariat und das Auto dort lassen. Ich würde mit einem Taxi weiter, wie die letzten 10 Jahre auch.»

Von dem Moment an versuchten die beiden ihr Bestes, mir auszureden, zum Kommissariat zu gehen. Und dann noch am Sonntag! Nein, nein. Wenn ich unbedingt gehen wollte, dann sollte ich ihnen meinen Führerschein dalassen und sie würden mir dann eine Vorladung ausstellen um am Montag zum Kommissariat zu gehen. Das wollte ich nicht und sagte: «Nein, fahren wir zum Kommissariat und erledigen die Sache ein für alle Mal» Dann kam der einzige spannungsgeladene Moment. «Wo ist der Ausweis? Lass ihn bei uns und geh!» «Nein, nein, lieber direkt zum Kommissariat.»

Der Kollege draussen deutete an, bei mir sei wohl nichts zu holen und schliesslich sagte der auf dem Beifahrersitz: «Okay, wir lassen dich, gib uns etwas um Wasser zu kaufen und das war’s.» Ich zögerte. Sollte ich denen nun ein Trink-Geld geben? Ich versuchte Tschader von unserem Verein anzurufen um sie um Rat zu fragen – und um zu signalisieren, dass ich Kontakte zu Tubus haben und diese Sprache spreche. Da ich niemanden erreichte, rief ich meinem amerikanischen Kollegen an und sprach mit ihm Tubu. Da stellte sich heraus, dass mein «Beisitz» auch die Tubu-Sprache spricht. Er wollte zwar immer noch ein Trinkgeld, aber die Lage war entspannt. Schliesslich gab ich ihnen je 1’000 CFA (ca. 1.60 CHF). «Ist doch gut, Kontakte zu knüpfen» meinte er, und stellte sich vor. Er stieg aus und ich fuhr sehr erleichtert weiter. 

Erst recht erleichtert war ich, als ich 3 Stunden später auf dem Rückweg – nachdem es grün geworden war – von der anderen Seite an meinen neuen Bekannten vorbeifuhr und sie mein Winken sehr freundlich erwiderten. Es ist gut, Kontakte zu knüpfen.  

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