Neue Technologien

Das Internet ist auch in Bardai angekommen. Zögerlich und langsam, aber es existiert. Manchmal. Es kann für Stunden, Tage oder Monate ausfallen. Aber es hat in viele Lebensbereiche Einzug gehalten. Am meisten wird das Internet wohl für WhatsApp verwendet. Angesichts der tiefen Alphabetisierungsrate werden im Allgemeinen Sprachnachrichten bevorzugt. Deren Inhalt sind zu wohl 70% Grussformeln: „Wie geht’s? Wie geht’s der Familie? Was gibt’s Neues? Alles friedlich? Hier in XY ist Gott sei Dank alles gut und friedlich, kein einziges Problem.“

Wie auch in der nicht-virtuellen Welt, sind die Lebenswelten der Männer und Frauen auf WhatsApp getrennt. Da gibt es Gruppen, wo frau darüber austauscht, welche Art von Laffaye (traditioneller 5m Stoff-Schleier) frau heute trägt, frau postet stolz eine Foto des heutigen Essens und tauscht darüber aus, ob der Tee heute gelungen ist, oder zu schwach, zu stark oder zu süss ist. Man meldet sich zurück von einer Reise, bzw. vom Ankunftsort, Fotos von Toyota Hilux verschiedener Modelle und Zustände (vor und nach Unfällen) zirkulieren, man posiert mit Metalldetektor oder Schusswaffen. In Windeseile verbreiten sich Berichte von Kämpfen zwischen Tubus und anderen Gruppen auf den Goldfeldern oder Namen von Opfern im Zusammenhang mit Auseinadersetzungen zwischen Tubus und Arabern im Süden von Libyen.

Aber auch behördliche Arbeit wird mit Hilfe von WhatsApp abgewickelt. Wie umständlich es doch ist, ein Dokument zu scannen und dann mit einer E-Mail abzuschicken. Vor allem, wenn man kein E-Mail-Account hat. Eine Foto via WhatsApp ist da viel schneller. Kompliziert wird es nur, wenn der Empfänger diese Foto wieder in Papierform braucht, um das Dokument vor Ort einzureichen. Da wendet man sich vertrauensvoll an Mosko Hanadii-ĩ, unser Bildungszentrum, das auch eine Art Copy Shop ist. *

Für den etwas komplizierteren Fall verweist der einheimische Direktor an den Techniker des Zentrums, zu dem ich (Simon) mich mangels anderen Anwärtern hochgearbeitet habe. Also los. Zuerst muss die Foto auf meinen Labtop, was landesüblich mit der App SHAREit (Datenübertragung zwischen Geräten via WLAN) gemacht wird. Fehlt diese dem Kunden, kann er sie auf unserem lokalen Server herunterladen, installieren und mir dann die Foto senden. Dann richte ich das schief fotografierte Dokument etwas und helle es nötigenfalls etwas auf bevor ich es dann ausdrucke. Voilà, c’est simple. Nur wenn sich der Kunde dann noch über die eigentlich immer vorhandene Unschärfe beklagt, kann ich mir das Augenverdrehen echt nicht mehr verkneifen…

* Der einzige Ort im Umkreis von mehreren Hundert Kilometern, wo man ganzjährig kopieren und Briefe abtippen lassen kann oder Passfotos erhält. Kürzlich war unser einheimischer Direktor wieder sehr beschäftigt mit dem Drucken von Passfotos, die die Schüler der Oberstufe für die Einschreibung brauchen. (Das Schuljahr beginnt offiziell am 1. Oktober. Die Lehrer für unsere Region sind am 30. Oktober in der Hauptstadt abgefahren um 15 Tage später hier anzukommen. Und seit anfangs Dezember findet auch in Bardai Unterricht statt.)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert