Tubu-Herausforderungen in der Schweiz

Anfangs Januar besuchten wir als Familie eine Tubufamilie im Wallis. Das klingt eigentlich ganz harmlos und simpel. Aber ganz so einfach war das nicht…

Wir hatten mit ihnen einen Termin für ein Wochenende abgemacht, mit der Vorankündigung, dass wir gerne Sprachaufnahmen für einen Trickfilm machen würden. Na gut. Nach Auflegen des Telefons schon die ersten Fragen: Was heisst das jetzt konkret? Können wir bei ihnen übernachten? Oder sollen wir uns selber was suchen? Sollten wir vor oder nach dem Mittagessen bei ihnen ankommen? Was bringen wir einer aufgenommenen Flüchtlingsfamilie als Geschenk mit? Wir kennen die Tubus, wir kennen die Schweizer, aber wie verhalten sich wohl Schweizer Tubus? Sollen wir Schlafsäcke und Mätteli mitnehmen? Und je näher der Termin kam, kam auch die Frage: Wie überstehen wir mit einem halbkranken (unsere Einschätzung „stark erkältet“, Junias Verhalten „totkrank“) Kind eine 4 stündige Zugfahrt und ein Wochenende bei fremden Leuten?

Mit Anspannung aber schon auch Vorfreude nahmen wir dann unser kleines Abenteuer in Angriff.

Kurz vor Mittag angekommen, wurden wir mit einem munzigen Auto (extra vom Kollegen ausgeliehen für diesen Zweck) abgeholt. Unser Gastgeber liess es sich nicht nehmen, uns „Fremde“ für eine touristische Führung zum Schloss oberhalb der Stadt zu fahren, um kurz die schöne Aussicht über die Stadt zu geniessen.

Danach fuhren wir in ihre Wohnung, wo wir von Frau und Kindern zum Mittagessen erwartet wurden. Sie wohnen im 6. Stock in einer 3 Zimmerwohnung. Die Wohnung ist gerade etwa so gross wie unsere – aber sie haben drei kleine Kinder zwischen 0.5 und 6 Jahren und noch einen Neffen im Teeniealter. Zusammen mit uns machte das dann neun Personen, wobei zeitweise noch zwei weitere Besucher da waren.

Natürlich geht man in der Wohnung barfuss und die Männer essen im Wohnzimmer am Boden, die Frauen mit den Kindern in der Küche.

Als dann alle Kinder gleichzeitig (!) im Mittagsschlaf waren, konnten wir mit den Aufnahmen beginnen. Satz für Satz – da sie teilweise zum ersten Mal irgendwas in ihrer Muttersprache gelesen haben. Das ging so lange gut, bis die Kinder ausgeschlafen hatten und Bewegung in die Wohnung zurückkehrte… Wie bringt man einem Kleinkind das Flüstern bei? Wie macht man ihm verständlich, mit langsamen Schritten zu Gehen und das neu gelernte Laufen und Hüpfen jetzt zu unterlassen? Und auch der Freude über das neue Spielzeug und neuen Spielkameraden darf kein Ausdruck gegeben werden?

Auf jeden Fall wurde es dann ja irgendwann Abend und die Kinder mussten wieder schlafen. Auf Initiative des Gastgebers nutzten wir diesen Zeitpunkt für die restlichen Aufnahmen. Obwohl wir alle schon müde waren, oder vielleicht gerade deswegen, haben wir mehrere Male Tränen gelacht. Ein Tubu – also ein stolzer Krieger – versucht wie eine Maus zu pipsen oder wie ein Löwe zu brüllen. Sowas hat er in seinem Leben noch nie gemacht und er glaubt selber kaum, was er da gerade tut. Und seine Frau schon gar nicht.

Auf jeden Fall kam der Moment, wo auch wir ins Bett gehen wollten. Unsere Familie in den Kinderbetten im Kinderzimmer, die gesamte Tubufamilie im Elternschlafzimmer. Gerade als wir die Türe hinter uns schliessen wollten, streckte uns eine Hand einen Berg von Geschenken entgegen. Für mich ein Leopardenmuster-Nachthemd (XXL) und ein Parfüm aus Dubai (man würde es auch schon von dort aus riechen), für Simi ein schönes Hemd mit Seiden-Krawatte (vom Sohn liebevoll „La chemise du president“ genannt) und für Junia ein Superman-Barbie und eine Winterjacke mit goldigen Sternchen (in die sie sich sofort verliebt hat).

Reich beschenkt schliefen wir ein.

Der nächste Tag begann mit dem typischen Weckeralarm: Bääh bääh… Und einem leckeren Frühstück. Da es mir langsam ein bisschen eng wurde, wollte ich vorschlagen, nach dem Frühstück doch ein bisschen an die frische Luft zu gehen mit den Kids. Aber kaum war der letzte Teller abgetrocknet, begann die „Rüstungsindustrie“ (Kartoffeln und Auberginen für die Friteuse und vieles mehr). Bei einer solchen Mahlzeit bleibt keine Zeit, fürs Spazierengehen. So genossen wir ein weiteres leckeres Mahl und machten uns anschliessend mit den kompletten Aufnahmen, einem noch vollgestopfteren Rucksack als vorher, vielen neuen Eindrücken sowie neuen Freunden auf die Heimreise.

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