Recht sicher

Recht sicher waren wir uns, dass wir am 18. November wieder in den Tschad reisen würden. Recht sicher waren wir, dass wir mit der kleinen Fluggesellschaft am 22. November in die Oase fliegen würden. Doch es trügt, wenn man meint, recht sicher zu sein, wenn man es mit einem Land zu tun hat, das nicht so rechtssicher ist.

Wir haben nämlich einmal mehr nicht mit dem Tschad gerechnet. Aber der Tschad rechnet. Vor allem mit Erdöl. Sogar die Weltbank unterstützte den Tschad, erklärte 2000 dessen Ölförderung zum Modellprojekt für Armutsbekämpfung in Afrika. Nicht ganz, wie sich immer mehr herausstellt.

Seit 2003 sprudelt das Erdöl und nach einigen Jahren gab es auch merkliche Verbesserungen der Infrastruktur. Mittlerweile macht das Erdölgeschäft zwei Drittel des BIP aus. Andere Industriearten gibt es aber nicht.

Doch jetzt, mit dem anhaltend tiefen Ölpreis, geht die all zu einfache Rechnung mit dem schwarzen Gold nicht mehr auf. Da hilft auch das andere Erd-Produkt nicht viel: Weil keine Veredelung stattfindet, sind auch die 800’000 Tonnen Erdnüsse, die der Tschad exportiert, für das Staatsbudget leider nur Peanuts.

Die leere Staatskasse wird je länger je mehr bemerkbar: Das staatliche Megaprojekt „cité internationale des affaires“ für stolze 366 Millionen € sollte für das Gipfeltreffen der Afrikanischen Union in N’Djamena im Juni 2015 fertig werden. Die Vorschau auf Youtube sah gelinde gesagt schon zuvielversprechend aus.

cité internationale des affaires

Gedemütigt musste der Tschad das Gipfeltreffen absagen, und als wir im September 2015 in der Hauptstadt waren, sahen wir die verlassene Baustelle, die dem Bild oben kaum ähnelt. Doch das war erst der Anfang. Unterdessen leiden auch die Staatsangestellten unter der Lage des Staatshaushalts: Lehrer haben schon lange nichts mehr gesehen und es ist zumindest fraglich, ob das Schuljahr 2016/2017 überhaupt stattfinden wird. In den öffentlichen Spitälern ist die Lage ähnlich: Nur noch Notfallstationen sind halbwegs offen. Und weil der Staat der grösste Arbeitgeber ist, ist die ganze Bevölkerung von dieser Krise direkt oder indirekt betroffen. Und wir leiden auch mit. Nicht nur emotional.

Denn jetzt rechnet der Tschad mit internationalen Firmen und NGOs, oder besser gesagt: die Steuerbehörden wollen mit diesen abrechnen. So geht des beispielsweise der Öl-Firma Exxon Mobile, die eine Steuerforderung von 74 Milliarden Dollar am Hals hat. Dass das etwas hoch gegriffen ist, zeigt der Umstand, dass es das Siebenfache des tschadischen Bruttoinlandsprodukt ist (BIP 2015: knapp 10.88 Milliarden Dollar).

Auch unsere Fluggesellschaft ist mit einer haltlosen Steuerforderung konfrontiert. Unser Flug am 22. November ist deswegen abgesagt. So wie im Moment alle anderen. Wann eine Lösung gefunden wird, ist ungewiss. Das kann Tage oder Monate dauern. Wir hätten über Land nach Bardai reisen können, doch spätestens für die Rückkehr nach N’Djamena hätten wir fliegen müssen. Aus einem erfreulichen Grund: Die Schwangerschaft ist dann schon weit fortgeschritten.

Für uns heisst das, dass wir bis nach der Geburt in der Schweiz bleiben und weiterhin von hier aus arbeiten. Gut, dass sich noch keine Untermieter gemeldet haben…

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