Sinn City mit Geschmack

Den folgenden Artikel müsst ihr euch auf der Zunge zergehen lassen und an die zuständigen Rezeptoren weiterleiten. Diejenigen, die die Rezept-Ohren schon aufsperren, müssen wir enttäuschen, so weit sind wir noch nicht.

Anjas Vorwehen hätten sich verstärkt, wenn wir damals bereits einen Reiseführer zur Hand gehabt hätten: „Les Tchadiens consomment beaucoup de viande, mais peu de légume. Au cœur de la cuisine tchadienne se trouve la boule, qu’elle soit de mil, sorgho, riz ou fonio. Le Tchad étant un pays de grande tradition d’élevage, on y mange beaucoup de viande grillée: de la chèvre, du poulet, du mouton, du bœuf, du zébu et plus rarement du dromadaire. (…) La viande tchadienne est d’excellente qualité et n’a rien à envier à la viande argentine“. Dazu kommt der Umstand, dass N’Djaména am Fluss Chari liegt, welchem auch das häufige Auftreten von Fisch in den Gerichten zugrunde schwimmt.

In den ersten zwei Wochen konnten wir an einer Ausbildung für LehrerInnen teilnehmen und das Mittagessen war inklusiv in den 20.- Kurskosten. Das Prinzip der Menus ist, soweit wir das beurteilen können, recht simpel: es gibt etwas wie Boule (Hirse-/Maisbreiklumpen), Reis oder seltener Teigwaren und dazu eine Sauce. Letztere ist dann auch das, was Anja im Voraus (was schwimmt wohl diesmal darin?) und teilweise auch im Nachhinein Bauchschmerzen bereitet. Der erhoffte Effekt des mutigen, herzhaften Reinbeissens (ohoo, das schmeckt ja doch!) ist leider ausgeblieben. Somit stehen wir vor der Herausforderung, mittels Gestik und gegebenenfalls Sprachkenntnissen das Mahl zu würdigen, ohne den Gastgeber zu beschämen, während Simon Anjas Fleisch und gegebenenfalls Anja Simons Salat isst.

„La boule“ haben wir nur so salopp erwähnt. Anja findet diese nahr-, Simon auch schmackhaft. In grossen Mengen im Teller vorliegend kann sie aber eine Herausforderung darstellen.

Ansonsten haben wir in den ersten Tagen mit „Beignets“ und Tee Bekannt- bis Freundschaft geschlossen. Erstere sind  kugelrunde „Schenkeli“ die es hier nicht zur Fasnachtszeit, sondern zum Zmorge und Znüni gibt. Letzteren, handelsüblich in den Versionen „rouge“ und „vert“, haben wir zu Hause versucht nachzuahmen, doch wegen zu zaghafter Zuckerdosenhandhabung gelang uns nur eine Annäherung ans Original.

Extrem handelsüblich ist hier alles, was Erdnüsse enthält (-Paste, -Butter, -Öl). Dagegen ist Milch nur als Pulver erhältlich und Milchprodukte sind rar und teuer. Wir haben aber noch lange nicht alles entdeckt – und wollen auch nicht koste was es wolle alles Entdeckte (z.B. geröstete Insekten) kosten.

Der Akt des Essens an sich verdient hier noch ein paar Zeilen, um seiner erst erahnten Bedeutung annähernd Rechnung zu tragen. Man isst nicht überall einfach so, wenn es einem gerade in den Sinn oder in die Hand kommt. Essen ist ein Gemeinschaftsereignis und findet daher nur dann statt, wenn alle, für die es reicht, anwesend sind. Es ist unanständig bei Hunger oder „Gluscht“ in der Öffentlichkeit, z.B. auf dem Markt, seine Banane zu essen, wenn nicht alle 751 Anwesenden auch eine kriegen. Essen ist auch das „Zentrum“ der Gastfreundschaft. Dazu gehört auch das (sehr teure) „Coca“, das dem Gast gereicht wird. Eine willkommene Abwechslung zum Filterwasser, das wir überallhin mitschleppen um schwimmenden Krankheitserregern zu entgehen. Übrigens: Eisteepulver (classic) teilt gern den Umschlagsplatz mit einem Brief, neben der Fajita-Saucen Gewürzmischung.

By the way: Hat jemand eine Ahnung, woran es einem mangelt, wenn es einem nach dem Sitzen (auf)ständig schwarz vor Augen wird?

 

Was uns diese Woche sonst noch beschäftigt:

Welche pädagogischen, soziokulturellanimatorischen und linguistischen Projekte sollen wir in Angriff nehmen? Wie viel Zeit und Hirnzellen sollen wir dem Tschadarabischen widmen (Intensivkurs, Sprachhelfer, Selbststudium)? Wie kommen wir mit unseren Nachbarn in Kontakt? Wo befindet sich eigentlich der Hauptschalter der Heizung hier im Haus?

8 Antworten auf „Sinn City mit Geschmack“

  1. Hallo da/dort!
    Habe mich mal kurz schlau gemacht, wegen den schwarzen Augen. :p Die Fachwelt ist sich da einig, dass dies mit einem zu schwachen Blutdruck zutun hat. Kommt häufig am Morgen beim aufstehen vor. Als Gegenmittel wird als erstes mehr Bewegung (körperliche Ertüchtigung) genannt. Aber auch viel trinken, viel Salz und auf Alkohol verzichten, soll helfen. Kaffee ist auch nicht verkehrt, aber hat nur eine kurzfristige Wirkung… Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen sie Google. 😉

    Eure Beiträge sind super! Danke fürs Teilen!

    1. Merci – ich trinke viel (Wasser!) und hab auch immer schön brav Salz gegessen. Das mit der Bewegung könnte was sein… Aber solange die Heizung läuft, wird damit wohl nichts… Weiss google vielleicht auch wo sich der Hauptschalter befindet? Kaffee ist sehr teuer hier, aber ich denke, damit werd ich es wohl probieren.

  2. Hallo ihr zwei
    Eure Berichte sind wirklich super spannend zum lesen, vor allem wenn man eure Gedanken im Vorfeld mitbekommen hat. Das mit dem schwarz werden vor den Augen könnte nach meiner Einschätzung auch Eisenmangel sein. Ich hab mal nachgeschaut, welche Lebensmittel viel Eisen enthalten um diesem Mangel entgegenzuwirken. Nr. 1 ist die Blutwurst mit 29.4 mg Eisen/100g gefolgt von der Schweineleber mit 18.0 mg. Auch nicht schlecht sind getrocknete Sojabohnen mit 9.7 mg Eisen. Ein normale Tagesbedarf sollte 10 – 15 mg Eisen sein, also du musst nicht mal jeden Tag eine Blutwurst essen:-). Dann gibt es noch Dinge, welche die Eisenaufnahme beeinträchtigen, dazu gehört z.B. auch Kaffee, also vielleicht doch nicht zu viel Kaffee trinken. Meine Schwester hat auch immer Eisenmangel. Sie hat dann jeweils Eisenpräparate genommen, aber das gibt es bei euch vermutlich nicht zu kaufen. Vielleicht liegt es einfach auch an der Nahrungsumstellung und legt sich wieder, wenn sich dein Körper daran gewöhnt hat. Ich freue mich schon auf ein weiteres Tschapdate! Lieber Gruss Dani

    1. Wow! Danke für die Tipps! 🙂 Blutwurst und Schweineleber findet man hier zum Glück nicht! Aber leider auch keine Sojabohnen. Sojasauce habe ich mir im “Ausländerladen” gekauft… Aber ich denke schon, dass es mit der Umstellung zu tun hat. Ausserdem muss ich wahrscheinlich einfach noch viel mehr trinken und ab und zu einen Maggiwürfel lutschen (die sind hier kleiner als bei uns). Aber es geht mir im Allgemeinen bereits besser. Versuche mir nämlich anzugewöhnen, schön langsam aufzustehen. Man sieht hier nämlich auch keine Tschader aufspringen. (Mir wurde erklärt, dass es einem nämlich darum schwarz wird, weil der Blutdruck tief ist und das Herz dann das Blut nicht so schnell in den Kopf hochpumpen kann, wenn der plötzlich höher oben ist.)
      Liebe Grüsse an deine Familie! Simanja

  3. Hallo,
    Sojabohnen gibt es übrigens doch – fragt euch mal auf dem Dembe-Markt durch. Falls ihr Cindy Trotter trefft, die hat da einges an Tipps auf Lager. Eisenpräparate gibt es in den größeren Apotheken in der Nasara-Street. Ansonsten seid ihr mit Trinken und Salz lutschen auf dem richtigen Weg. Viel trinken kann übrigens locker 4-5 l am Tag sein. Aber irgendwann akklimatisiert sich der Körper ja auch. Bis es dann richtig heiß wird im April habt ihr euch hoffentlich schon etwas engewöhnt 🙂
    Und wenn alle Stricke reißen – weniger arbeiten, mehr schlafen. Die Tschader machen`s euch vor, und sie haben recht mit ihrem ruhigeren Lebenstempo!
    Grüßle, Silke

    1. Ahoi Silke
      Gerade heute waren wir auf dem Dembe-Markt. Hay tara! Riiesig. Und wir haben iiirgendwelche Bohnen gekauft, vielleicht wird Anja Soja geholfen, ansonsten setzen wir auf den Plazebo-Effekt 😉
      Apropos Lebenstempo: gerade sind wir vom Mittagsschläfchen aufgestanden…ça va bien comme ça!

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