Pfusch am Bau

Relativ schüchtern und spontan haben wir unserem Vermieter gegenüber mal geäussert, dass wir gerne einen zweiten Schattenplatz hätten. So, wie wir jetzt wohnen, haben wir den grössten Teil des Tages genau auf einer Fläche von 18 m² Schatten. Jedoch unter einem Wellblech-Dach – ein Solarofen mit „Oberhitze“. Da essen, ruhen, spielen, waschen, basteln, streiten, lachen – sprich leben wir. Und da empfangen wir auch Besuch. Kulturell unangemessen, denn Männer sitzen hier eigentlich nicht auf einer Matte mit Frauen, und auch nicht mit Babys. Erst recht nicht, mit dem Gaggi, dessen Ausbreitung der Gastgeber gerade zu verhindern versucht.

Nach dieser kleinen Bemerkung ging alles rasant – für uns eigentlich zu rasant. Nach kurzer Absprache mit seiner Mutter hatten wir die Baubewilligung, um ca. 80 m² Land zu verbauen zu dürfen, – auf unsere Kosten, aber ohne Mieterhöhung. Am nächsten Tag fuhr uns ein Kipp(!)Lastwagen Sand vor die Hütte. Drei Ladungen (drei „Reisen“, wie man hier sagt) brachte er. Und 35 Säcke Zement wurden ebenfalls aufgestapelt.

Am übernächsten Tag standen drei Typen da, die anfingen die 1500 bestellten Ziegelsteine zu produzieren, dazu zwei weitere Typen, die noch den Baumstrunk einer Akazie aus dem Weg buddeln mussten. Ja, Akazien gehören zu dieser Sorte Gewächs, die man als 2 cm hohes Jät schon fast nicht mehr ohne Pickel aus dem Gartenbeet rausziehen kann …

“In den Anfängen”

“Fundament … Alles auf Sand”

Diese zwei Tage waren für uns noch einfach. Aber dann, am dritten Tag, ging unsere Arbeit los. Die Ziegel sollten hier 7 Tage lang bewässert werden, damit sie nicht zu schnell trocknen und brüchig werden. Das heisst, wir waren anschliessend 19 Tage am Ziegelsteine oder Mauer „tränken“. Wenn die städtische Wasserversorgung genügend Druck auf der Leitung hatte, konnten wir das mit dem Schlauch machen. Aber weil das Wasser nur jeden zweiten Tag läuft und manchmal halt nicht gerade dann, wenn wir Zeit hätten die Ziegel zu tränken, – dann wurde diese Aufgabe zum Fulltime-Job. 700l Wasser mit dem Eimer auf 1500 Steinen zu verteilen ist nicht in fünf Minuten erledigt …


“Wässern”

„Immer noch Wässern … Die Mauer hat auch immer zwei Seiten”

Aber: Wir haben jetzt eine Mauer und einen Unterstand. Wer sich hier „Maurer“ nennt, behauptet damit nämlich in der Regel auch, ein Ziegelsteinmacher, ein Schreiner, ein Zimmermann, ein Schneider und ein „Sandtransportör“ zu sein. Was man sagen kann, ist, dass die Leute echt gut sind im Improvisieren. Aber dieses „Improvisieren“ hat so wenig mit dem Englischen „improve“ zu tun, wie „inventing“ bei einer „Inventur“ angebracht ist. „Pfusch am Bau“ eben.

Jedenfalls tut man als Schweizer Bauherr mit gewiiissen Vorstellungen vom gewünschten Ergebnis gut daran, immer wieder (und in gewissen Phasen sogar permanent) vorbeizuschauen. So kann man allfällige aufkommende Fragen, die einem NICHT gestellt werden, beantworten. So schien es für unsere Arbeiter nicht „fragwürdig“, wenn eine Türe nicht gleich hoch wie die Mauer ist, oder die Türpfosten derselben Türe verschieden lang sind. Warum wollen diese Weissen unbedingt eine Dachschräge im Unterstand? Warum stört es sie so sehr, dass der Regen halt einfach in die Mauer läuft (anstatt über die Mauer nach draussen)? Warum sollte man denn einen Mittelpfosten in die Mitte machen? Braucht es denn bei einer rechteckigen Mauer einen rechten Winkel in den Ecken?

 

“Türe 1 und 2”


“Jeden Abend wird auch schön aufgeräumt”


“Wie jetzt wohl diese lang diskutierte Dachschräge verläuft???”

Immerhin konnten wir verhindern, dass die „Durchzugslöcher“ in der Wand nicht 20 cm tiefer als am Vortag abgemacht, ausgespart wurden (so, dass man von draussen problemlos reinschauen könnte). Und wir konnten auch abwenden, dass das Dach so tief montiert wurde, dass die erwähnten Löcher dadurch verdeckt worden wären. Das braucht dann immer ein wenig diplomatisches Geschick und spaltet die Persönlichkeit in „good cop – bad cop“. Dazu sollte man in einer Schamkultur niemanden tadeln. Und ein Lob und „Vraiement, ce travail est dur! Courage!“ wirkt sich eben auch positiv auf die Ausdauer und das Resultat aus. Dieses ist schlussendlich wirklich erfreulich!

Übrigens: Eigentlich hätten wir gar keinen Schattenunterstand bauen können. Denn seit Wochen oder Monaten gibt es kein Bauholz mehr zu kaufen. Überhaupt gibt es hier wenn, dann nur eine Art von Holz: Dachlatten von 4 m Länge und 6×6 cm Dicke.

Unglaublicherweise konnten wir jemandem 15 Hölzer abkaufen, der gerade eben nur für seinen Eigenbedarf Holz gebracht hatte. Wir waren wohl die Einzigen, die etwas davon abbekommen haben.

Vergangene Woche haben wir nun noch die letzte Etappe geschafft: Drei Männer haben den Boden eingeebnet (für ihr Verständnis) und mit Schubkarren so viel Sand reingekarrt, dass es wirklich ziemlich eben wurde. Dann hiess es rechen, um den Sand von grossen Steinen zu säubern. Auch wieder ein paar Schubkarren voll. Und dann mussten wir noch ein letztes Mal tränken – den Sand tränken! Damit der Staub absinkt. So geht das.
Diesen Sonntag haben wir den ganzen Vormittag im neuen Unterstand verbracht. Schön ist’s geworden!

 

“Fix (und) fertig”

Auf jeden Fall haben wir gerade innert kürzester Zeit für Schweizer Verhältnisse viel Land verbaut, ohne Architekt, Baueingabe, Hypothekabschluss oder Zeichnung. Und wir werden uns in Zukunft dafür einsetzen, dass angehende tschadische Bauarbeiter in der Schule die Fächer Werken und Geometrie besuchen müssen und auch ein Geodreieck zur Verfügung gestellt bekommen.

 

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