Überraschung!

Ein Tschapdate Blogeintrag ausserhalb des Advents!

Spass bei (Web)Seite. Für euch kommt es vielleicht nicht ganz überraschend, dass es wieder einen Tschadventskalender gibt. Aber wir dachten zuerst, dass wir nur die Adventssonttage “abdecken” würden. Doch beim Blick ins Fotoarchiv waren wir einmal mehr überrascht, dass uns auch 2025 so viele neue Erlebnisse und Eindrücke beschert hat, dass es nicht in vier Beiträgen zu verarbeiten ist. Zum Beispiel diesen Pumpbrunnen, den hatten wir schon fast vergessen.

Wir wünschen euch, dass auch ihr beim Durchstöbern des Jahresarchivs überraschend dankbar werdet und euch die Adventszeit viele schöne Momente statt nur (Be)Scherereien beschert.

Also, bonne lecture und lasst euch überraschen!

Frohe Weihnachten

24. Dezember

Es könnte ja sein, dass du keine Zeit gehabt hast, unsere Weihnachtskarte für dich (wie vom Chef der Druckerei empfohlen) von Hand auszumalen. Aber vielleicht bist du ja im Besitz eines Farbdruckers sowie von allen dazu gehörenden Farbpatronen und hast in einem guten Moment auch Strom. Dann kannst du dir die Karte einfach ausdrucken :-)!

Falls du sie tatsächlich ausgemalt hast, würden wir uns sehr über ein Foto davon freuen. Könntest du uns eines schicken?

Ganz liebe Grüsse
Simanjunoanna

Gewalt oder Liebe – Gedanken zur Kreisverkehrsvortrittsgesetzesänderung

23. Dezember

Vortrittsregeln (und auch alle anderen Verkehrsregeln) sind so eine Sache hier. Die einzige Regel, die es nach meiner bisherigen Er-Fahrung durchwegs zu beachten gilt, ist: «Rechne jederzeit mit allem.»

Die praktizierte Vortrittsregel im Kreisverkehr wirkt für uns verkehrt. Hier wird nämlich konsequent Rechtsvortritt angewandt: Alle dürfen (von rechts kommend) in den Kreisel reinfahren, niemand kann (da von links kommend) den Kreisel verlassen. Das Resultat ist Stau im Kreisel. 

BIENVENUE A N’DJAMENA liest man, wenn man vom Flughafen her kommend in den den ersten Kreisverkehr einfahren will. Allerdings ist es mit der “Will-kommenskultur für die von weit her nicht so weit her: Gemäss N’DjamenAllgemeinwissen ist dies der einzige Kreisverkehr, bei dem man als “in-den-Kreisel-Eindringling” nicht Vortritt hat.

Aber: Per Gesetz vom 20. Oktober 2023 gilt neuerdings offiziell, dass das Fahrzeug im Kreisel Vortritt hat. Seit 18. Oktober 2024 habe ich auch mehrere diesbezügliche SMS vom Verkehrsministerium erhalten. Dies hat aber in der Praxis noch nicht zu Klarheit in den zwischenverkehrsteilnehmenden Beziehungen beigetragen. Im Gegenteil: Die Grundregel «Rechne jederzeit mit allem» gilt um so mehr. Denn jetzt können Verkehrsteilnehmende aufgrund des traditionellen Wegrechts weiterhin ungebremst in den Kreisverkehr einfahren, während andere denken Recht zu haben, wenn sie von links kommen. 

Wie also kann die neue Regel auf dem sandigen, verschlaglöcherten Boden der Realität des tschadischen Verkehrs ankommen? Indem man sich sein Recht nimmt, oder indem man anderen den Vortritt lässt. Gewalt oder Liebe? 

Im Rahmen eines Selbstexperiments erkunde ich diese Frage. Da wir weder Voll- noch Leerkasko-Versicherung für unser ungepanzertes Fahrzeug haben, ist ersteres («mir mein Recht nehmen») ausgeschlossen. Daher ist meine Versuchsanordnung, dass ich mir selbst Folgendes versuche anzuordnen: 

Ich wende (A) das neue Gesetz insofern an, als dass ich den Fahrzeugen, die sich bereits im Kreisel befinden, den Vortritt lasse. Damit stosse ich: 

  • zuweilen auf Unverständnis, der sich im Kreisel Befindenden, gefolgt von einem beglückten Nutzen des Vortritts, 
  • zuweilen auf Unverständnis derjenigen hinter mir, die mit Hupen bekunden, dass mein Fahrstil zu defensiv sei
  • insgesamt auf überwiegend freundliche Reaktionen 

Ich wende aber auch (B) das traditionelle Wegerecht an, in dem ich Fahrzeugen, die sich mit erheblicher Geschwindigkeit oder sonstigen Zeichen von Zuversicht (z.B. Gesichtsausdruck der Zufahr-Sicht) dem Kreisverkehr nähern, den Vortritt lasse. Damit stosse ich: 

  • auf keine anderen Fahrzeuge

In dem Ganzen versuche ich, nur so weit bzw. so lange Vortritt zu gewähren, dass ich nicht zum Verkehrshindernis werde. Kurz: Ich versuche den anderen Verkehrsteilnehmenden so zu begegnen, wie ich mir wünsche, dass sie mir begegnen. Nächstenliebe. Dieser Begriff erhält bei dem sich dicht gedrängten Aneinandervorbeiwursteln sowieso eine neue, wortwörtlich naheliegende Bedeutung. 

Das bringt mich ab- und den Kreis(el) schliessend zu einem kürzlich entdeckten Zitat von Napoleon, der sich zu Jesus geäussert hat, welcher sich ja auch zum Thema Nächstenliebe geäussert hat: 

«Ich kenne die Menschen und ich sage euch, dass Jesus Christus kein gewöhnlicher Mensch ist. Zwischen ihm und jeder anderen Person in der Welt gibt es überhaupt keinen Vergleich. Alexander, Cäsar, Karl der Grosse und ich haben Reiche gegründet. Aber worauf beruhten die Schöpfungen unseres Genies? Auf Gewalt. Jesus Christus gründete sein Reich auf der Liebe; und zu dieser Stunde würden Millionen Menschen für ihn sterben.»

Napoleon Bonaparte. Zitiert in Frank S. Mead, The Encyclopedia of Religious Quotations, Westwood, Fleming H. Revell, Seite 56

Während ich auch heute unter gelegentlichen Stossgebeten versuche, meine Stosstangen unbeschädigt und unbeschadend durch den n’djamenäischen Verkehr zu bewegen, dürft ihr noch alles ausmalen, was auf dem Ausmalbild weiss geblieben ist.

Kontraste

22. Dezember

Es wurde bereits erwähnt – aber die Kontraste hier sind auch wirklich erwähnenswert. Unter anderem die klimatischen Kontraste.

Während der viermonatigen Regenzeit ist es so feucht, dass weder das Mehl noch die Kleider, die Strassen oder sonst irgendwas trocknen bleibt. Als ich letzten Juli in der Schweiz unserer Koffer auspackte, waren die im Tschad trocken eingepackten Kleider völlig feucht. Das fanden wir aber nur halb so schlimm.

Doppelt so schlimm war entsprechend dieser Berechnung dann die Ankunft im Tschad anfangs September: Was wir nach zwei Monaten Abwesenheit während der Regenzeit antrafen, war so, dass der Schlag uns traf. Schimmel im Haus und auch sonst überall, der nicht unter Kontrolle zu bringen ist.

Schimmel zum Davonlaufen
Schimmel nicht als sondern auf dem Fortbewegungsmittel

Bis zu dem Tag, wo sich der Regen kurzentschlossen für die nächsten 8 Monate verabschiedet und man innerhalb einer halben Woche aufgerissene Fersen, strohige Haare, Nasenbluten in der Nacht und eine täglich neue Staubschicht auf jeder Ablagefläche hat.

Obwohl diese starke Trockenheit auch ihre anstrengenden Seiten hat, ist sie wahrscheinlich die einzige Rettung, damit wir hier keine längerfristigen Schäden vom Schimmel davon tragen.

Malt doch heute die Kamele aus! Sie sind zwar keine Schimmel, aber dafür kann man auf ihnen reiten.

Meine Freundin und ihr Dattelkaffe

21. Dezember

Habt ihr gewusst, dass man aus Dattelkernen Kaffee machen kann? Also natürlich nicht richtigen Kaffee, er ist ja auch nicht aus Kaffeebohnen gemacht. Aber im Geschmack hat es was von Kaffee, allerdings nicht besonders starkem, sondern eher so dünnem Filterkaffee.

Allerdings soll der Dattelkaffe für allerlei gut sein und ist deshalb schon ein anerkanntes Produkt im “Alternativen-Kaffee-Trinker-Kreis” in Europa.

Meine Freundin kommt aus einer Oase, die traditionellerweise zu einem grossen Teil von ihrer Dattelkultur lebte. Mittlerweile werden die Palmen völlig vernachlässigt und die Jugend fokussiert sich nur noch aufs Goldsuchen. Meine Freundin hingegen sieht die grosse Problematik, welche das Goldfieber mit sich bringt und möchte etwas dagegen unternehmen. Ihre Idee ist es, das alte, traditionelle Wissen wieder zu aktivieren und als Basis für den Aufbau einer nachhaltigen Zukunft zu brauchen.

Vielleicht klang das jetzt sehr banal. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto genialer finde ich ihren Ansatz. Und auch ihren Einsatz. Sie arbeitet für etwas Grösseres (nicht nur gerade sich selber), sie riskiert ihr eigenes hart erarbeitetes Geld und geht einen ehrlichen und geraden Weg. Das sind alles total untypische Eigenschaften hier und ich bin massiv stolz auf sie und versuche sie zu unterstützen, wo ich kann.

Aber ich muss sagen, die Hürden im Tschad sind unglaublich gross und vielfältig.

Zum Beispiel gibt es hier im Land abgesehen von Knister-Plastik-Säckli keine Tüten, die sich für das Verpacken von Kaffee eigenen würden. Wo soll sie jetzt ihre schlecht gedruckten und schräg geschnittenen Etiketten draufkleben? Und für ihr TEUER gedrucktes Buch, indem sie ihre ganze Recherche über Datteln zusammengefasst hat und wir zusammen auch einige Rezepte fotografiert und aufgeschrieben haben, das verkauft sich auch nicht. Weil von den wenigen Leuten die überhaupt lesen können, sich nur die allerwenigsten für Bücher interessieren. Und dann der Werbefilm, den wir gemeinsam gemacht und in verschiedene Sprachen übersetzt haben: Nachdem sie das letzte Mal ihr Handy verlor hat, war auch der Film weg. Sowie auch die Originaldateien von ihren Logos. So ist das hier.

Ich wünsche meiner Freundin trotz den vielen Hindernissen und Niederlagen den Mut dran zu bleiben. Das wünsch ich auch dir und mir.

Don’t dig up in doubt, what you planted in faith (Grabe nicht im Zweifel aus, was du im Glauben gepflanzt hast)

Elizabeth Elliot

Malt heute das Dorf im Hintergrund aus!

Pizza ist nicht gleich Pizza

19. Dezember

Damit unser Arbeitsalltag irgendwie funktioniert, habe ich eine Frau, die zwei Mal in der Woche auf dem Markt einkauft und für uns kocht. Sie ist wirklich sehr nett, und kann bestimmt auch gut traditionelle, tschadische Gerichte kochen. Aber da wir mittags jeweils ziemlich erledigt sind, brauchen wir was zu essen, das alle richtig mögen. So habe ich an Pizza gedacht. Seit einigen Monaten macht sie uns also einmal pro Woche Pizza. Das Interessante ist, dass die Pizza immer mal wieder komplett anders rauskommt, wie man es erwarten würde. So kommen die Kinder jeweils freudig nach Hause und schauen in den Backofen um nachzusehen, wie die Pizza wohl heute aussieht.

Wir hatten schon Pizza mit sehr dickem Teig. Also wirklich sehr dick. Aber auch sehr dünnem Teig. Pizza ohne Käse und auch mal ohne Tomatensauce. Zwei Mal schon waren die beiden Pizzen, die sie jeweils macht, aufeinander geklebt. Wie es scheint, war meine Anleitung nicht ganz einfach verständlich.

Einmal war das Backreinpapier oben auf der Pizza drauf anstatt drunter und einmal klebten die Kuchengitter auf der Pizza. Als ich fragte weshalb, dass sie das so gemacht habe, wusste sie es auch nicht so richtig.

Naja. Mittlerweile weiss sie langsam, was wir uns unter Pizza vorstellen. “Wie im Restaurant”, sagen die Kinder dann. Der Variantenreichtum nimmt ab. Irgendwie schade. Aber ich bin doch froh, wenn ich nachher nicht den eingebrannten Käse von den Kuchengittern schrubben muss…

Sandwich-Pizza a.k.a. Calzone
Ohne Tomatensauce
Gefängnis-Pizza

Heute darfst du das traditionelle Haus auf der Weihnachtskarte ausmalen. Im Gedenken daran, dass es uns manchmal komisch zu Mute ist, unserer Haushaltshilfe Rezepte «zuzumuten», die sie zu Hause nie machen würde. Kartoffeln, zum Beispiel, gehören ja in der Schweiz zu den günstigen Lebensmitteln. Hier sind sie relativ teuer. Dennoch bitten wir sie ab und zu, uns zu ein ganzes Kilo zu kaufen und Pommes als eigentliche Mahlzeit zu machen. Das kann sie sehr gut. Aber für Tschader kommen Pommes nur bei Festessen als eines von vielen Schälchen mit Beilage vor. Oder es hat eine Kartoffel in der ganzen Sauce, von der alle mit der Hand ein Stückchen abgreifen.