Posttraumatische Verstörung
Wo soll ich bloss beginnen…? Die Post hier funktioniert nicht ganz so wie unsere geliebte Schweizer Post, aber wie funktioniert sie denn? Dem wollten wir letzte Woche auf die Spur gehen. Bis jetzt haben wir herausgefunden, dass angekündigte Pakete oder Briefe noch nie bis zu uns gefunden haben, aber Unangekündigte uns schon öfters überrascht haben. Wie es in der Gegenrichtung ausschaut, das wissen wir bis jetzt noch nicht. Deshalb haben wir in aller Eile einige Briefe und Pakete fertig gestellt, damit sie natürlich noch vor Weihnachten die Wüste überqueren. Letzte Woche, am Mittwochnachmittag, machten wir uns auf die Reise zur Hauptpost an der „Nasara-Strasse“ (mit den Geschäften, die hauptsächlich Weisse interessieren). Eines von drei kleinen Postbüros in der Millionenstadt, befindet sich zwar ganz in unserer Nähe, aber die bisherigen Besuche dort konnten unser Vertrauen noch nicht ganz gewinnen. Weil uns diese Pakete doch wichtig sind, machten wir die ca. 40min. Reise zur besagten Hauptpost. Leider hatte diese aber bereits geschlossen, als wir um 15.00 Uhr dort ankamen.
Donnerstag war „Tag der Demokratie“, ein Feiertag, und am folgenden Tag wie üblich „journée courte“ wegen des Freitagsgebets (am Freitag Nachmittag). Ebenfalls keine Möglichkeit für uns, da wir am Morgen arbeiteten. So war der Samstag unser nächstmöglicher Termin um unsere Post auf die Reise zu schicken.
Am Samstagmorgen, erneut auf dem Weg zur Hauptpost, kamen wir noch an unserer kleinen Quartierspost vorbei, wo die Türen weit offen standen. So nutzten wir die Gelegenheit um schnell zu fragen, ob es vielleicht was in unserem Postfach habe. Allerdings war weit und breit niemand in der Post anwesend, nicht einmal schlafend hinter dem Schalter, wo wir die gute Frau das letzte Mal wecken mussten. Um lange zu warten hatten wir keine Zeit, wollten wir doch früh an der Hauptpost sein. Punkt 9.00 Uhr standen wir vor einem kleinen Schalter in der riesigen Halle, wo man seine Fracht loswerden sollte. Leider war niemand hinter dem Schalter, obwohl die Post schon seit einer Stunde offen war. Nachdem wir langsam mal alle Pakete und Briefe schön ausgelegt hatten, kam ein Herr auf uns zu und sagte, er werde die betreffende Dame anrufen. Nach dem Telefonat versicherte er uns, dass sie gleich kommen werde. So setzten wir uns hin. Nach einer halben Stunde holte sich Simi mal einen Gahwa (Kaffee), um sich die Wartezeit zu versüssen. Wir begannen uns bereits zu fragen, ob dieser Herr uns vielleicht in seiner indirekten Kommunikation mitteilen wollte, dass heute niemand arbeite. Aber da kam erneut ein Herr auf uns zu und versicherte, sie komme bald, sie wohne eben ein bisschen weit weg. Es scheint in dieser Stadt also genau eine einzige Frau zu geben, die ein Paket oder einen Brief frankieren und versenden darf. Weder ihre Arbeitskollegen vom Gebäude nebenan, wo man Brief abholen kann, noch ihre Arbeitskollegen vom anderen Gebäude nebenan, wo man Pakete abholen kann, könnten kurz ihre Arbeit übernehmen. (Die vom Paketgebäude arbeiten am Samstag sowieso nicht, obwohl sie es laut Öffnungszeiten tun.)
Punkt 10.00 Uhr ist die gute Frau dann doch eingetroffen und hat ohne weitere Umstände ihre Arbeit aufgenommen. Sie begann eines um das andere zu wägen, bis sie beim grössten Paket angelangt war, das nun wirklich zu gross war, um auf der Briefwaage gewogen zu werden. Sie könne das aber nicht absenden, ohne dass sie wisse, wie schwer es sei. Ob ich es nicht wisse. Nein, ich hätte leider keine Waage zu Hause. Also gut, dann muss das Paket im anderen Gebäude bei den Paketen gewogen werden. Ich wandere also erneut ins andere Gebäude und wäge mein ca. 1,8kg Paket auf einer riesigen 200kg Waage. Mit dieser Angabe berechnete sie nun einen für mich schwer durchschaubaren Gesamtbetrag von 55’000 CFA (110 sFr.). Das sei aber sehr teuer, meinte ich, da ich meinen Ohren und Augen kaum traute. Als sie meine Entrüstung sah, schien sie Mitleid zu haben. Ja, das sei wirklich sehr teuer. Sie versuche noch einmal zu rechnen. So kam es zu einem neuen Betrag von 45’000 CFA. Ich fand das immer noch sehr teuer. So errechnete sie den dritten und letzten Betrag von 42’000 CFA (84 sFr.) und meinte, sie wisse dass es teuer ist, aber sie habe wirklich alles nur mögliche abgezogen und ich wolle halt auch wirklich unglaublich viele Dinge versenden. Dafür gehe die Fracht noch heute aufs Flugzeug.
Dieses Erlebnis war leicht verstörend und hinterliess in mir folgende Fragen:
– Was ist, wenn diese gute Frau eines Tages einen Unfall hat? Kann dann niemand mehr in ganz N’Djaména Pakete oder Briefe frankieren?
– Warum kann die Schweizer Post eigentlich wissen, dass ein A-Post Brief seinen Empfänger am nächsten und ein B-Post Brief am übernächsten Tag erreicht?
– Hat der Umstand, dass so viele Tschader Nomaden sind, Auswirkungen auf die Relevanz der Post?