Kein Wort für Danke – Teil 1

13. Dezember

In den Sprachen Tudaga, Dazaga und Kanembu gibt es kein Wort für “Danke”. Das beschäftigt mich schon länger, denn die Sprache bestimmt ja zu einem grossen Teil auch, wie wir die Welt sehen. Heisst das, dass sie auch keine Dankbarkeit empfinden? Oder vielleicht drücken sie Dankbarkeit einfach auf eine andere Art aus? Wenn ja, dann ist es oft auf eine Art, die ich überhaupt nicht verstehe.

“Seisch no Danke, gell!” Das wird in unserer Kultur schon bei Kleinkindern kultiviert. Alles andere gilt als “unanständig”. Bei den Tubus wird das nicht einmal von Erwachsenen erwartet. Wie kommt das? Und wohin führt das?

Bis jetzt habe ich noch keine klaren Antworten gefunden, aber in vielen Gesprächen mehr darüber erfahren. Hier einfach ein paar Erkenntnisse:

  • Für die Tubus ist es ein Zeichen von Schwäche, “Danke” zu sagen. Denn damit drückt man aus, dass man vorher bedürftig war. Und als bedürftig zu gelten ist das Letzte, was ein Tubu will. Dafür isst man auch schon mal zuhause einen guten Happen, bevor man an ein Hochzeitsessen geht. So kann man dann locker nach ein paar Anstands-Bissen aufstehen und damit den Eindruck hinterlassen, dass man die angebotenen Kalorien nun wirklich nicht nötig hat.
Wieviele Gäste sind an der Hochzeit?
Ein Festessen
  • Warum soll der Gast sich bedanken, wenn ihm ein Tee serviert wird? Das ist die selbstverständliche Pflicht des Gastgebers. Und für Pflichterfüllung ist nun wirklich keine Dankbarkeit nötig.
  • Wenn man wirklich “dankbar” ist, weil man etwas nicht Selbstverständliches bekommt, dann spricht man anstelle von einem “Danke” eher einen Segen über diese Person aus. Sowas wie: “Gott möge dich segnen” oder so ähnlich.
  • Eine Formulierung von Dankbarkeit ist Wuše wuše (“Wusche wusche” ausgesprochen). Das sagt man zu einer jüngeren Person, wenn sie etwas gut gemacht hat oder man jemanden ermutigen will, im Stil von “Weiter so!”
  • Eine andere Formulierung haben wir gelernt als verbalen Ausdruck von Dankbarkeit zu verstehen: “Jetzt hab ich dir Mühe gemacht”. Nicht das “Danke”, das wir uns aus unserer Prägung gewohnt sind, aber es tut gut, das als “Danke” aufzufassen.

Interessant ist ja, dass es etwas mit mir macht, wenn sich jemand nicht bedankt, wenn ich was für ihn gemacht oder gekauft habe. Aber hier kann ich dieses “Danke” nicht erwarten, sondern es wird auf eine andere Art ausgedrückt, die ich irgendwie schlecht verstehe. Es dauerte lange, bis mir das so klar wurde. Aber ich lerne immer wieder viel dazu.

Malt doch heute den Lastwagen aus. Denn dieser ist auf jeden Fall tankbar.

Die singende Düne

11. Dezember

Von dieser singenden Düne hatten wir schon so viel gehört, nur ihren Gesang noch nicht. Letzten April, als wir in Gouro waren, war es dann soweit. Unser Freund Ahmat, der diese Düne in einem Gedicht besungen hatte, war unser Führer auf der Reise nach Gouro. Und mit Genugtuung kündigte er am morgen nach unserer Ankunft an, dass er uns nun zu dieser sagenhaften Düne führen werde.

Wir fuhren an den Fuss der Düne, um den Rest dann hochzuklettern. Das war ganz schön anstrengend, etwa wie auf einer Schneetour im Tiefschnee. Nur die Temperaturen waren etwas höher. Oben angekommen genossen wir den fantastischen Ausblick, bevor wir anschliessend mit aller Kraft versuchten die Düne zum Singen zu bringen.

Ich glaube, die Düne hat schon lange nicht mehr gesungen und die Kröte im Hals musste zuerst besiegt werden. Ahmat und die beiden anderen Männer aus Gouro waren aber fest entschlossen, sie für uns zum Singen zu bringen. Sie fingen an, auf dem Sand herumzutrampeln, rannten eine Strecke hinab, hüpften an Ort und Stelle. Dann begannen wir alle, schwere Steine hinunterzurollen. Plötzlich fing sie an zu vibrieren und es klang wie ein Flugzeug, das sich aus der Ferne annäherte, wieder ging und wieder kam und wieder ging. Mit der Zeit klang es fast wie ein Didjeridoo. Ein faszinierender Moment.

Ein bisschen hatte ich auch Schiss, dass wir durch diese Vibration eine Sandlawine auslösen würden. Oder ein Sandbrett? Glücklicherweise ist das nicht der Fall.

Auf jeden Fall blieb zum Schluss noch der Spass, die Düne wieder runter zu rutschen und auch noch die letzte Körperritze mit Sand zu füllen.

Auf den letzten hundert Metern wurde der Sand so heiss, dass ich dachte, dass wir alle mit Verbrennungen an den Füssen enden würden. Ahmat musste Leanna retten, die ihre Schuhe verloren hatte und weinend die Düne hinunterstolperte. Schlimmer als ein Sonnenbrand war es dann allerdings doch nicht.

Alles in Allem war der Ausflug zur singenden Düne echt toll (obwohl ich die Bezeichnung “Brummende Düne” eigentlich besser finden würde).

Malt doch heute den Rest der Bergkette aus.

Wilde Tiere und Wildes von Tieren

10. Dezember

Eines Morgens in unseren “Ein-bisschen-aus-der-Stadt-raus-Ferien” wurde ich so geweckt: “Mami, Mami, Mami, es Hippopotami!” (Die Regenzeit hat den Fluss so hoch anschwellen lassen, dass ich dieses Foto ohne Zoom aus dem Garten des Gästehauses machen konnte)
Immer eine Freude, wenn man eines entdeckt.
Am Markttag in einem Dorf gibt es immer einen Eselparkplatz. Voilà!
Hoffentlich hat dieses Schaf keine Höhenangst!
Lieber auf dem Dach als auf der Hutablage…
Waaaaaarum?

Malt heute doch den Skorpion aus. Leider haben wir kein Foto gemacht, als wir ihn auf der 14. Stufe einer gefliesten Treppe gefunden haben… Wie er da wohl hingekommen ist?

Koye’s Haus

Hier in der Hauptstadt sind wir in der Sahelzone. Das heisst, eigentlich regnet es ungefähr 8 Monate im Jahr nicht. Es ist plump gesagt “furztrocken”, alles ist staubig, der Erdboden hart und alles was gedeihen sollte, muss regelmässig gegossen werden. In den anderen vier Monaten hingegen, regnet es oft und vor allem sehr stark. So dass sich das Quartier in einen Sumpf aus Abfall und Matsch verwandelt, ein Mückenparadies entsteht und die Kleider vor lauter Feuchtigkeit nicht mehr trocknen. Und wenn der Schimmel mal da ist, ist er nicht mehr wegzukriegen und stellenweise kommst du ohne 4×4 Antrieb auch im Zentrum der Hauptstadt nicht überall hin, wo du gerne möchtest.

Aber dieses Jahr ist es ein bisschen anders. Es hat sehr viel geregnet, wie noch an vielen Orten auf der Welt. Der Boden ist gesättigt, der Grundwasserspiegel hoch und der Fluss weit höher als vor zwei Jahren, wo bereits der Jahrhunderthöchststand war.

Hier in der Stadt hat es vor 7 Wochen das letzte Mal geregnet und wir befinden uns bereits seit längerem in der furztrockenen Phase, wo wir uns langsam mal wieder über einen Regen  freuen würden (was aber erst im nächsten Juni der Fall sein wird). Jedoch klagte unser Wächter immer wieder darüber, dass sein Haus am Stadtrand langsam überschwemmt werde. Hier bei uns ist das schwer vorstellbar

Letzte Woche haben wir ihn besucht und gesehen, was er meint.

Tatsächlich ist sein Haus noch eines der wenigen im Quartier, das (knapp) bewohnt werden kann. Es seht wie auf einer Insel, mittlerweile muss man sogar durchs Wasser waten, um da hin zu kommen. Allerdings steht das Haus unter dem Wasserspiegel, geschützt wird es durch einen kleinen Wall, den er mit seinen Jungs täglich ein bisschen erhöht. Seit einem Monat und 24 Tagen.

Heute werden die Füsse nass, wenn man zu seinem Haus laufen möchte
Seine Toilette
Sein Haus
Sein Innenhofe. Rechts die Veranda und links der Hühnerstall
Ebenfalls sein Innenhof. Sein Trinkwasser steht in den Tonkrügen im Wasser…

Der Sonnenuntergang, dieses Haus, das Wasser rundherum – so ein unglaublicher Moment. Die Kombination von purer Schönheit und gleichzeitiger Misere, alles in einer komplett friedlichen Atmosphäre liess mich vor allem grosse Dankbarkeit empfinden.

Und einmal mehr denke ich darüber nach, dass der Tschad einfach ein Land der krassen Kontraste ist, wo auch immer man hinschaut. Irgendwie muss man damit klarkommen. Aber in diesem Moment fiel es leicht. Die Kontraste waren auf wundervolle Weise vereint.

Malt doch heute den Eisvogel aus, sein Lebensraum ist in diesen Tagen ziemlich gross.

PS: Mittlerweile geht das Wasser zurück, und er konnte tatsächlich die ganze Zeit in seinem Haus bleiben!

🚙🪫🥵💡💦🤡💨😬

7. Dezember

🚙 Wir fühlen uns sehr geehrt, dass es ein eigenes Emoji gibt für unser Auto hier. Denn dieses Thema ist sehr emojional für uns. 

🪫 Oft steige ich mit mehr Spannung ins Auto als die Batterie hat. Manchmal muss ich nicht einmal einsteigen. Denn ich höre schon beim Aufschliessen, dass das einzige Schloss, das noch an die Zentralverriegelung angeschlossen ist, nicht mehr aufschliesst. Das einzig aufschlussreiche daran: Ich weiss jetzt, dass die Batterie leer ist. 

🥵 Wenn das am Morgen geschieht, dann habe ich etwa 3 Minuten Zeit um beim Notstromaggregat1 die Batterie auszubauen, ans Auto anzuschliessen und zu starten. Wenn das nicht klappt rennen die Kinder und ich raus und versuchen ein Taxi zu erwischen, damit sie noch rechtzeitig in die Schule kommen.  

Mittlerweile habe ich die Autobatterie schon 3 Mal gewechselt. Jedes Mal wurde mir natürlich eine noch bessere verkauft.

💡 Zum Teil bin ich auch selbst schuld. Denn allzu oft vergesse ich, das Licht auszuschalten. Dagegen habe ich jetzt aber eine effektive Lösung gefunden: Batterie abhängen. Jeden Abend und manchmal auch tagsüber. Denn unterdessen steht fest, dass die Batterie irgendwie ein Leck hat. Dafür habe ich sogar einen Begriff gelernt: Kriechstrom. Wohin sich der Strom verkriecht ist eine spannende Frage, watt? Voltet ihr auch gern wissen. Aber für meine Kinder gesprochen: Es liegt nicht nur Ampère, dass das Auto manchmal nicht anspringt. 

Leider piepst es bei mir nicht mehr

💦🤡Nachdem jemand einmal unser Auto auch innen mit dem Schlauch gewaschen hat, hat es allerlei Faxen gemacht: Die Zentralverriegelung knirschte spastisch vor sich hin und es ging nur noch der Pannenblinker. Zuerst war der Rat: Alles ausbauen und trocknen. 

Autoteppich rausnehmen. Denn sonst trocknet es nie.

Hilft nichts? Boardcomputer ausbauen. Da dieser halbvoll mit Wasser war, schien das eine mögliche Ursache für das merkwürdige Verhalten zu sein. Auskippen und trocknen lassen half nichts. So spezifische Ersatzteile für Nissan gibt’s hier nicht. Also hat mein findiger Mechaniker einfach einen von Toyota eingebaut. Geht gut. Aber gibt keinen Warnton mehr, wenn ich das Licht vergesse. 

💨 Es gäbe noch vieles zu berichten. Denn das Auto stellt auch oft unterwegs ab, wenn man vom Gas geht. Im Kreisel zum Beispiel. Oder einmal stand Anja im Stau und der Motor hatte einmal mehr von allein abgestellt. Aber diesmal wollte er nicht mehr anspringen. Stattdessen drang Rauch von unter der Haube hervor. Gott sei Dank kam ein befreundeter Taxifahrer des Weges und half ihr, das Auto an den Strassenrand zu schieben. 

😬Unterdessen waren auch mein technisch versierter Kollege, der uns das Auto leiht, und ich zur Stelle. Der Öltank hatte genug Platz für eine ziemlich volle 5-Literkanne. Ob ich manchmal den Ölstand kontrolliere, fragte er mich. Äh… Ich gelobe Besserung. 

Wie oben bereits beschrieben, haben wir auch viel Hilfe erhalten für unser Auto. Ca. zwei Dutzend verschiedene Menschen haben netterweise schon beim Überbrücken geholfen. Und eine Menge mehr haben uns schon angeschoben. Einmal sogar die Polizei, die uns aus dem Verkehr gezogen hatte um uns für eine erfundene Missetat zu büssen. Doch schliesslich (dank Hilfe unseres lokalen Freundes) haben sie selbst uns anschieben müssen.

Nur abschleppen musste uns noch nie jemand. Auch nicht abschieben.

Ein Motorrad kann vielleicht nicht ein Auto abschleppen. Aber abschieben geht.

Heute dürft ihr die Esel ausmalen. Sie sind auch ein Verkehrsmittel. In Kreiseln trifft man sie selten, viel eher aber bei Zelten.

  1. Bzw. angesichts des häufigen Stromausfalls passt eher «Alltagsgenerator». ↩︎