19. Dezember
Ein bisschen ernüchtern war es, dass am ersten Wochenende nur gerade drei Teilnehmende pro Sprache für die Kategorie “Literaturwettbewerb” aufkreuzten. “Sollten wir es nicht öffnen für die, die nicht vor Ort teilnehmen können?” überlegte Anja. Sofort kam uns ein Dutzend Leute in den Sinn, die das Alphabet beherrschen, aber halt irgendwo auf den Goldfeldern im Tibesti, in Libyen, Niger oder Europa sind. Also los! Werbefilm machen! Wir sind ja jetzt auch auf TikTok 😅
Innert wenigen Tagen haben sich über 40 Personen angemeldet. Meine ohnehin ungesunde WhatsApp-Nutzung geriet ganz aus dem Ruder. 40 Hausaufgaben erhalten, ausdrucken, von meinem Kollegen korrigieren lassen und mit Sprachnachricht-Kommentar zurückschicken. Fragen zur Aufgabenstellung des Literaturwettbewerbs beantworten, Entwürfe korrigieren, letzte Tipps geben … und den Überblick behalten, ob und wer was rechtzeitig eingereicht hat.

Trotz rauchendem Kopf: Die Geschichten, die wir erleben konnten, waren es mehr als wert:
- Da ist ein Freund in Irland, der sich mit ärztlichem Zeugnis (!) krankheitshalber von der Teilnahme abmeldete, uns aber 200€ Beitrag ans Preisgeld schickte.
- Da ist der wohl politisch einflussreichste Tubu aus Libyen, der extra für die Abschlusszeremonie aus Tripoli anreiste. Zuletzt war er 2011 in N’Djamena. Damals kam er, um das Tudaga-Alphabet zu lernen. Seine Ansprache an der Zeremonie machte grossen Eindruck: “Wir in Libyen haben erreicht, dass Tudaga heute in den Tubu-Gebieten ein Pflichtschulfach ist.” Das gab Applaus!
- Und da ist der Gewinner des ersten Preises: Zu unserer Freude 1⃣ wählte die Jury aus all den anonymisierten Texten den des Gründers des Tubu-Kulturzentrums in Murzuk, Libyen aus. Doch noch grösser war unsere Freude 2⃣, als er in der WhatsApp-Gruppe verkündete, dass er sein Preisgeld unserem Mitarbeiter, dem Tudaga-Lehrer und Buchautor Abdolsalam hier in N’Djamena schenken möchte, für seinen jahrelangen Einsatz.

“Das muss feierlich übergeben werden” sagte der Tubu-Co-Teamleiter Ôyi, “es soll Abdolsalam so richtig ermutigen und anspornen!” Vor laufender Kamera übergaben wir ihm also den Umschlag.

Die Kommentare zum Video waren noch ein Freude 3⃣ obendrauf: Osman, selbst Teilnehmer und unser engster Tubu-Freund in Libyen, gratulierte zuerst Abdolsalam, doch dann ging er dazu über, Ôyi zu loben: “Er bleibt im Hintergrund, aber ich weiss, dass er grossartige Arbeit leistet!” Ôyi wollte Abdolsalam ehren, doch nun wurde er selbst geehrt.
Kurz: Der “Concours toubou international” hat viele Kreise geschlossen: Vom Kulturzentrum Palmeraie in N’Djamena über Mosko Hanadii-ĩ in Bardai zum Merkez Al-Salaam in Libyen; vom Teilnehmer aus Niger, der dann im Mai noch ankam um sein Preisgeld persönlich abzuholen, bis nach Europa, von wo Teilnehmende unserer “Tubu-Konferenz” in Frankreich mitschrieben oder Spenden schickten. Überraschend international!
