Schätzt du Schätzaufgaben?

4. Dezember

Ich war gelinde gesagt überrascht, dass die Frauen in der Lehrerausbildung nicht annähernd eine Ahnung davon hatten, wie lange ein Meter ist. Eine Fingerlänge? Fast. Wie schwer ist ein Stuhl? 100kg?

Um die Sache mit den Mengen, Längen und Gewichten ein bisschen relevanter und fassbarer zu machen, habe ich ein wöchentliches “Schätz-Spiel” eingeführt. Wie schwer ist mein Telefon, wie breit ist das Fenster, wie viele Datteln sind in diesem Plastiksack? 

Abwechselnd sollte eine Person solche Schätzfragen vorbereiten, alle anderen mussten ihre Schätzung abgeben. Die Schätzkönigin gewann einen kleinen Preis. Aus meiner Sicht ein simples Spiel.
Für die Teilnehmerinnen war es eine grosse Herausforderung, die dann (wegen des kleinen Preises wahrscheinlich) sehr ernst genommen wurde. Und mich lehrte es erneut vieles darüber, wie überraschend anders sie denken. 

Hier ein Beispiel davon, wie schwierig es manchmal war, die Gewinnerin zu bestimmen:

Die Korrektur des Spiels seht ihr auf der Wandtafel.

Frage 1 (Wie viele Steine sind das?). Richtige Lösung: 28. «D», also ich (a.k.a. Dočuiĩ) schrieb 26. Klarer Fall, der Punkt gehört mir. 

Frage 2: Wie viele Datteln sind im grossen Sack? Es sind 106. Ich gebe den Punkt an «S» mit der Antwort 109. Da meldet sich «Zm» und sagt, dass sie mit 100 ja NUR 6 daneben sei, sie hätte auch einen Punkt verdient. Ich halte fest, dass nur eine einen Punkt bekommt. «Zm» wird wütend, dass ich so kleinlich bin, denn 6 daneben sei ja schliesslich wirklich fast nichts. Die anderen versuchen die Situation zu deeskalieren, indem sie mir zuflüstern, dass ich «Zm» doch einfach einen Punkt geben soll. Ich mache es nicht, weil es gegen mein Verständnis geht.

Frage 3: Wie viele Datteln sind im kleinen Sack? 34. «Zm» holt klar diesen Punkt. 

Frage 4: Wie viele Ernüsse sind im Säckchen? Die richtige Lösung ist 58. Mit 64 gebe ich «D» (also mir) den Punkt. «Zm» meldet sich erneut und meint, das gehe nicht. Die Differenz sei ja 6. Und bei einer Differenz von 6 kriege man schliesslich keinen Punkt. Wenn «D» also hier einen Punkt bekäme, müsse ich ihr bei Frage 2 auch einen geben. Die Stimmung im kleinen, ohnehin aufheizbedarfsfreien Schulzimmer, wird laut und aggressiv. Alle diskutieren durcheinander. Schliesslich schaffe ich es mit Müh und Not mich durchzusetzen und erneut zu sagen, dass nur eine einen Punkt bekommt und zwar diejenige, die dem richtigen Resultat am nächsten ist. Da es Freitagnachmittag war, wollte ich einfach irgendwann noch fertig werden…

Frage 5: Wie viele kg wiegt der Thermoskanne? Alles klar.

Frage 6: Wie viele cm lang ist der Schwamm? Alles klar.

Frage 7: Wie viele Kilogramm ist dieser Kürbis schwer? Die richtige Lösung ist 1,8kg. Alle sind sich einig, der Punkt geht an «S» mit 2,1. Da melde ich mich und sage, dass «D» (ich) aber 1,5 geschätzt habe. Das sei ja ebenfalls 0,3 entfernt vom richtigen Resultat. Erneut geht ein Sturm los, da ich ja zuvor gesagt hatte, dass nur eine einen Punkt bekommen könne. Als ich nach den Gründen fragte, weshalb «S» einen Punkt bekommt und (dummerweise ich!) «D» nicht, war die Argumentation, dass «D» ja schon drei Punkte hätte und «S» noch keinen. Ich in meiner Kleinlichkeit kann das aber nicht akzeptieren, da für mich schlichtweg ungerecht scheint…

Um es kurz zu machen verschenke ich «meinen Preis» (den ja ohnehin ich gekauft hatte) an die Zweitplatzierte und mit erhitzten Gemütern gehen wir nach Hause. 

2 Antworten auf „Schätzt du Schätzaufgaben?“

    1. Nach diesem Nachmittag war ich fix und fertig und habe mich ernsthaft hinterfragt, ob vielleicht meine Art die Dinge zu bewerten völlig daneben ist. Auf jeden Fall erkenne ich nach so vielen Jahren immer besser, wie wenig von ihrer Art zu denken dass ich eigentlich verstehe 🙂

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