Standortbestimmung

Tatsächlich, wir sind wieder im Tibesti. Wie wir es gemerkt haben?
Ganz einfach!

 

Du weißt, dass du wieder im Tibesti wohnst, wenn:

… du jeden Morgen um vier geweckt wirst, weil der Muezzin sein Mikrofon mit Reinpusten testet, bevor er dann richtig loslegt.

… sogar der Tag eines Abendmenschen um 5.30 Uhr beginnt (obwohl die Zentrumsarbeit erst um 8 Uhr losgeht), um möglichst viel Hausarbeit vor der grossen Hitze zu erledigen (und um für allfällige Besucher bereit zu sein).

… du deine 2 Liter bereits um 7 Uhr getrunken hast.

… sich deine frisch geschnittenen Haare von einem Moment auf den anderen in Stroh verwandeln.

… du anfängst in der Nase zu bohren (obwohl du das deinem Kind verboten hast), weil du keinen anderen Weg siehst, die steinharten Bööggen irgendwie aus der Nase zu kriegen.

… du dich an der Nivea Crème verbrennst, weil du sie in der Sonne liegen lassen hast.

… du dein Kind ständig erinnerst, nur ohne Sandalen und auch dann nur langsam auf die Matte zu kommen, damit du nicht häufiger als jede Stunde den Sand runterwischen musst und das Essen deinen Zähnen nicht noch gefährlicher wird.

… du wieder staunst über die schwarzen Gecko-Gäggeli mit den weissen Güpfli.

… wenn es deinem Kind auffällt, dass ein Esel nicht „I-A“ sondern eigentlich „A-I“ macht.

… wenn deine Tochter vom Lieblingsschaf des letzten Aufenthalts wieder erkannt und auf Schritt und Tritt verfolgt wird.

… wenn „Regen“ für dich „schönes Wetter“ bedeutet und du mit deiner Tochter durch den Garten rennst, weil das kühle Nass fällt.

… du dir seltsam vorkommst deine Türe mit einem Vorhängeschloss zu schliessen, da sich der Türrahmen total von der Mauer gelöst hat und jeden Moment herauszustürzen droht.

… wenn du anfängst mit dem Gedanken zu spielen, dein verschneuztes Nastuch angesichts des bereits zuhauf herumliegenden Abfalls und mangels öffentlichen Abfalleimern ebenfalls einfach auf die Strasse zu werfen.

… wenn du dich über jedes Byte-Moment Internet, über jede Tomate und Gurke, über jede kleine Brise, über jede Stunde, wo Wasser aus dem Hahnen perlt, und über jedes Kleidungsstück, das man tatsächlich am nächsten Tag noch einmal anziehen kann, unbändig freust!

… wenn du keinen Tumbler brauchst, weil du in einem wohnst.

… wenn du mehrmals täglich gefragt wirst, ob es allen Leuten in der Schweiz gut geht.

… wenn du dich damit begnügst, wenn dein Kind einmal pro Tag mal für
2 Minuten sauber ist.

… wenn dein Badezimmermöbel eine ehemalige Werkzeugkiste von einem Jeep und deine Werkzeugkiste nur ein billiger Karton ist.

… die Stirnlampe zu deinem liebsten Accessoire wird, ohne das du keine nächtlichen (Aus)Gänge machst.

… du immer weisst, wie voll der Mond ist.

… du jeden Tag vor dem Ins-Bett-Gehen als Letztes deine Füsse wäschst, obwohl du erst vor fünf Minuten aus der Dusche kamst.

… dir egal ist, wenn du die Solarbatterie vor der ersten Verwendung 48 Stunden aufladen musst, da du sowieso ab dem Eindunkeln vor lauter Müdigkeit nur noch ins Bett willst.

2 Antworten auf „Standortbestimmung“

  1. Ihr Lieben, vielen Dank für die kreative Beschreibung eurer Situation. Denke, man kann es als lustig ansehen; wenn man aber das alles am ganzen Leib selber erfährt, liest man dies anders. Viel Kraft und Gottes Segen.
    Liebe Grüsse Hannes und Therese

  2. Liebe Halbnomaden,
    Wir freuen uns, dass ihr wohlbehalten an eurem alten Standort angekommen seid – auch wenn das manche Umstellungen braucht nach dem angenehmen Leben in der Schweiz. Aber ihr werdet euch sicher bald wieder wohlfühlen und ganz zu Hause sein. Trotzdem: Alle Achtung, dass ihr das alles auf euch nehmt, um den Menschen dort zu dienen.
    Herzliche Grüsse Cornelia & Hanspeter Nufer

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